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Schluss mit Geschwisterstreit – was Eltern tun können

„Du blöde Kuh, das ist mein Buch!“

„Ahhhhh! Gib das sofort zurück!“

Zank und Streit zwischen Geschwistern, Geheul und Geschrei im Kinderzimmer – wer kennt es nicht!?

Als Elternteil fragst du dich sicherlich manchmal, ob das noch normal ist, dass deine Kinder so viel streiten. Oder ob du bei der Erziehung vielleicht etwas falsch machst.

In diesem Artikel erfährst du, warum Geschwisterstreit vollkommen normal und sogar wichtig ist, ob und wann du eingreifen solltest und was du für ein bisschen mehr Harmonie zwischen den kleinen Streithähnen tun kannst…

Geschwisterstreit Was Eltern tun können

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Warum Kinder ständig streiten

Wer zwei oder mehr Kinder hat, kennt das Problem: Ständig gibt es Zank und Streit. Im einen Moment spielen sie noch einträchtig zusammen, im nächsten Augenblick schlagen sie sich gewissenmaßen die Köpfe ein.

Viele Eltern fragen sich dann, ob das noch normal ist …

Zu deiner Beruhigung kann ich dir sagen: JA! Ist es.

Studienergebnisse zeigen, dass zwischen Geschwistern ungefähr alle 10 bis 20 Minuten ein Streit ausbricht. Das sind 3 bis 6 Mal pro Stunde und somit echt viel! Und meistens legt der sich ja auch genauso schnell, wie er begonnen hat.

Doch warum sind Kinder solche Streithähne? Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. 1
    Konflikte sind im menschlichen Miteinander vollkommen normal. Denn jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse und unterschiedliche Strategien, um sich diese zu erfüllen. Ein Konflikt ist somit nichts anderes als ein Aushandeln der jeweiligen Bedürfnisse. Kinder müssen erst lernen, welche Bedürfnisse sie spüren und wie sie sie ausdrücken. Dabei „trainieren“ sie genau das bei jeder Gelegenheit.
  2. 2
    Bis sie gelernt haben, wie man Konflikte auch ruhig und friedlich lösen kann, gibt’s vor allem Geschrei, Wutanfälle, aggressives Verhalten und auch körperliche Auseinandersetzungen. Gerade kleineren Kindern fehlen auch noch die kommunikativen Möglichkeiten sowie die nötige Impulskontrolle
  3. 3
    Geschwister sind Rivalen! Sie müssen sich die Liebe, Zeit und Aufmerksamkeit der Eltern genauso teilen wie den Wohnraum (evtl. sogar das Kinderzimmer) und das Spielzeug. Das sorgt natürlich für jede Menge Konfliktpotenzial.
  4. 4
    Desweiteren ist Eifersucht zwischen Geschwistern völlig normal und trägt zusätzlich dazu bei, dass schneller gestritten wird. Hochsensible und gefühlsstarke Kinder fühlen sich noch schneller verunsichert in ihrer Familienposition wenn ein Geschwisterchen dazukommt. Somit kann die Eifersucht deutlich heftiger sein. 
  5. 5
    Geschwister können sich nicht aus dem Weg gehen. Sie sind gezwungen, ihren Streit auszutragen, während Unstimmigkeiten zwischen Freunden oft dadurch gelöst werden, dass man eine Weile getrennter Wege geht.
  6. 6
    Und Geschwister kann man nicht „verlieren“. Freundschaften können an ständigen Streitereien zerbrechen, das Geschwisterchen bleibt für immer das Geschwisterchen. 

Wie du siehst, gibt es viele gute Gründe für Geschwisterstreit …

Moment mal! GUTE Gründe? Oh ja! Denn während uns Erwachsenen dieses ständige Gezanke furchtbar auf die Nerven geht, ist es für Kinder wichtig zu streiten.

Hurra, wir streiten! Warum Geschwisterstreit wichtig ist

Wenn Kinder streiten, lernen sie nicht nur, wie sie ihre Bedürfnisse ausdrücken, für ihre Grenzen und ihre Meinung einstehen und wie sie Lösungen finden. Es fördert gleichzeitig ihr Sozialverhalten und dient ihrer Identitätsfindung sowie Persönlichkeitsentwicklung!

Beim Streiten lernen Kinder…

  • ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und mitzuteilen
  • persönliche Grenzen zu setzen und auf deren Einhaltung zu bestehen
  • gleichzeitig die Grenzen und Bedürfnisse anderer zu respektieren
  • zu erkennen, wann bei anderen diese Grenze erreicht ist
  • welche natürlichen Konsequenzen ihr eigenes Verhalten hat
  • wie man letztendlich Lösungen findet, um sich wieder zu vertragen

Die letzten beiden Punkte kommen allerdings nur dann zum Tragen, wenn der Streit lösungsorientiert begleitet wird. Wie das funktioniert, erfährst du wenn du weiterliest... 

"Es reicht!" - Streit schlichten oder nicht?

Bruder ist wütend auf Geschwisterkind

Streit laufen lassen ist keine gute Idee. Kinder brauchen unsere Unterstützung. Wir müssen sie an die Hand nehmen und zeigen wie sie Bedürfnisse ausdrücken und ausverhandeln und mehrere Bedürfnisse miteinander integrieren können.

Wenn wir sie komplett alleine mit dem Konflikt lassen, dann schauen sie es sich von uns Erwachsenen ab. Und ganz ehrlich: Die wenigsten Erwachsenen haben eine wirklich gute Konfliktfähigkeit. Die meisten können nicht ihre eigene Bedürfnisse ausdrücken, ohne die Grenze des anderen zu verletzen. 

Wenn wir unsere Kinder nicht aktiv unterstützen, geben wir ihnen die Botschaft: Der, der stärker ist, setzt sich durch. Eine Lebensbotschaft, die das Verhalten von “über Leichen zu gehen” fördert und wir eigentlich nicht haben wollen.

Dennoch solltest du versuchen, möglichst nicht bei jeder Meinungsverschiedenheit einzugreifen. Je öfter Kinder die Möglichkeit haben, ihre harmlosen Konflikte alleine auszutragen, desto mehr lernen sie daraus. Gehst du zu schnell dazwischen, nimmst du ihnen diese Möglichkeit und es wird schon bald der nächste „Trainingsstreit“ ausbrechen.

Es gilt:

Je jünger die Kinder sind (ca. bis 6-7 Jahre), desto mehr brauchen sie Unterstützung. Je älter die Kinder sind, desto mehr kannst du erst eingreifen, wenn der Streit tatsächlich eskaliert.


Sollte die Auseinandersetzung allerdings eskalieren und zu gegenseitigen Verletzungen kommen, musst du selbstverständlich SOFORT eingreifen. Mehr dazu findest du weiter unten…

Richtig streiten lernen - 4 Tipps für "besseres Streiten"

Je nach Alter der Kinder kannst du ihnen verschiedene Tipps und Hilfestellungen geben, die sie bei einem Streit ausprobieren können.

Achte jedoch darauf, dass alles nur Lösungsangebote sind und keine Vorgaben nach dem Motto: „Das musst du so und so machen!“ Denke immer daran, dass es für die Entwicklung deiner Kinder wichtig ist, eigene Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln.

1. Die Streit-Arena

Kinder handeln meistens sehr impulsiv. Daher kommt es bei ihnen auch viel schneller zu Streitigkeiten – sie folgen einfach ihren Emotionen und denken nicht erst lange darüber nach.

Bei sehr häufigen Konflikten zwischen Geschwistern hilft es eventuell, einen „Streitplatz“ einzurichten. Das kann ein bestimmtes Zimmer sein oder das Sofa, eine Sitzecke, ein Teppich, großes Bett, etc.

Dieser Ort wird zur Streit-Arena ernannt und bei Streit könnt ihr alle dorthin gehen. So erfolgt ein Situationswechsel und es kann sein, dass sich dadurch bereits die Gemüter abkühlen. 

Wichtig ist, dass die Kinder das Aufsuchen der Streit-Arena nicht als Strafe empfinden, sondern es spielerisch abläuft!

2. Kissenschlacht & Co

Bei einem Streit entstehen viele negative Gefühle. Wut, Ärger, Neid, Eifersucht, aggressives Verhalten… all das brodelt im Kind wie Lava in einem Vulkan und entlädt sich dann in Form einer lautstarken oder sogar handgreiflichen Auseinandersetzung.

Verlange bitte nicht von deinen Kindern, diese Gefühle zu unterdrücken. Das macht krank und kann langfristig sogar zu verschiedenen Persönlichkeitsstörungen führen.

Zeig ihnen lieber Möglichkeiten, diese Emotionen anderweitig rauszulassen.

Das kann das berühmte „in ein Kissen schreien / schlagen sein“ oder auch eine Kissenschlacht mit dem Geschwisterkind. Dabei können direkt beide ihren Gefühlen freien Lauf lassen und nicht selten endet das Ganze in ausgelassenem Gelächter.

3. Der Frust-Knüller

Sehr ähnlich zur Kissenschlacht ist das Zerknüllen und gegenseitige Bewerfen mit Zeitungspapier. Dabei ist die Verletzungsgefahr (und die Gefahr, dass irgendetwas in der Wohnung zu Bruch geht) noch wesentlich geringer.

Außerdem kann alleine schon das Zusammenknüllen (oder auch Zerfetzen und Zerreißen des Papiers) helfen, Frust und Aggression abzubauen.

Halte dazu immer einen Stapel alte Zeitungen bereit, an dem sich deine Kinder jederzeit bedienen können.

4. Das Rede-Püppchen

Diese Idee eignet sich eher für ältere Kinder, die schon in der Lage sind, Streitigkeiten in einem Gespräch zu klären.

Das „Rede-Püppchen“ kann dabei tatsächlich eine Puppe sein, ein Stofftier oder auch ein Gegenstand wie beispielsweise ein besonderer Stein. Es gilt: Nur wer das Rede-Püppchen in der Hand hält, darf sprechen.

So wird sichergestellt, dass jedes Kind in Ruhe seine Gefühle und Bedürfnisse schildern und seine Meinung sagen darf, ohne unterbrochen zu werden. Danach wird das Püppchen weitergereicht und das andere Kind ist an der Reihe.

Streitregeln für Kinder - Beispiele

Aufgehängte Streitregeln

Du weißt nun, dass es vollkommen normal und sogar wichtig ist, dass deine Kinder streiten. Dennoch macht es Sinn, innerhalb der Familie ein paar Regeln festzulegen, an die sich alle Beteiligten zu halten haben. Die 3 wichtigsten Regeln zuerst:

  1. 1
    Du selbst bleibst heil.
  2. 2
    Alle anderen bleiben heil.
  3. 3
    Alle Dinge bleiben heil 

Tipp: Um diese 3 Regeln zu euren festen Familienregeln zu machen, könnt ihr sie ausdrucken und gut sichtbar an den Kühlschrank hängen:

Wie können die 3 oben genannten Regeln noch verständlicher gemacht werden? In dem dass ihr euch weitere Streitregeln gemeinsam überlegt und sie konkretisiert. Hier ein paar Beispiele:

  • Hauen, treten, beißen, spucken und mit Gegenständen werfen ist verboten. (Ausnahme könnten z.B. Kissen sein, siehe Tipps)
  • Kein Streit beim Essen / am Küchentisch etc. (siehe dazu auch Tipp „Streit-Arena“)
  • Mehrere gegen einen ist unfair und deshalb tabu.
  • Zeitlimit: dauert ein Streit länger als … Minuten, helfen die Eltern (erst bei älteren Kindern ab ca. 8 Jahren).
  • Keinen Schuldigen finden – wer angefangen hat, ist egal. Wichtig ist, eine Lösung zu finden, die für alle okay ist. 
  • Keine Strafen - niemand ist Schuld am Streit und somit wird auch niemand bestraft

Je nach Alter und Streitverhalten der Kinder könnt ihr natürlich auch andere Regeln aufstellen. Versuche sie allerdings möglichst knapp und übersichtlich zu halten, damit deine Kinder noch genug Freiheiten haben und bei ihrem „Streittraining“ nicht zu stark eingeschränkt werden.

Wichtig!

  1. 1
    Achte darauf, dass die Regeln für alle Familienmitglieder verständlich und umsetzbar sind – orientiere dich daher am besten am jüngsten Kind.
  2. 2
    Selbstverständlich gelten die Regeln genauso für euch als Eltern! Aber auch für Großeltern, erwachsene Geschwister etc. Weise sie auf die Regeln hin und bitte sie, sich daran zu halten.

Streit schlichten: Wie du als Elternteil richtig eingreifst

Wie schon gesagt, brauchen vor allem junge Kinder aktiv deine Unterstützung beim Streiten.

Dabei gibt es ein paar Punkte, die du beachten solltest, um den Zwist zwischen deinen Kindern nicht unbewusst zu verschlimmern…

11 Streitschlicht-Regeln für Eltern:

  1. 1
    Nicht aus einem Impuls heraus handeln. Ja – streitende Kinder nerven! Beobachte aber zunächst mal die Situation: Kannst du den Kindern zutrauen, dass sie den Konflikt alleine austragen und kannst du das Gezanke (noch) aushalten oder sind die Emotionen der Kinder bereits kurz vorm Überkochen? 
  2. 2
    Beruhige deine eigenen Emotionen. Je ruhiger und gelassener du in den Streit eingreifst, desto leichter wirst du ihn lösen können. Andernfalls besteht die Gefahr, dass du selbst laut oder sogar handgreiflich wirst beim Versuch, die Streithähne zu trennen. Das sollte keinesfalls passieren.
  3. 3
    Bleib neutral. Auch wenn du der Meinung bist, dass eins der Kinder Schuld hat an dem Streit – ergreife niemals Partei. Du weißt meistens nicht, was dem Streit eventuell vorausgegangen ist. Und selbst wenn, hilft es deinen Kindern nicht, wenn du dich auf eine Seite stellst. Das verstärkt nur die Rivalität und schürt damit weitere Auseinandersetzungen. Merke dir: Jeder Streit fängt bei jedem woanders an und somit solltest du niemals in Opfer / Täterrollen einordnen
  4. 4
    Greife ein. Wenn du merkst, das ein Kind lauter, aggressiver wird und/oder ein Kind stiller oder bereits ein wildes hin und her diskutieren besteht, schau dass du rasch zu den Kindern kommst und lenke die Aufmerksamkeit auf dich mit einem "Hey was ist los bei euch?". Danach darf jeder mal seinen Standpunkt erklären. Du wiederholst lediglich das was du siehst und was du hörst. Fasse zusammen, was jedem wichtig ist. Frage nun, was jetzt eine Lösung sein könnte. 
  5. 5
    Lösungen anbieten, nicht vorgebenEs ist wichtig, dass Kinder lernen, ihre Konflikte selbst zu lösen und sie von dir dazu angeleitet werden. Deshalb vermeide, dass du ihnen sagst, was sie nun zu tun oder zu lassen haben. Vermeide Sätze wie "jetzt kommt aber der andere dran" oder "du musst auch teilen", etc. Lass die Kinder (je nach Alter) eigene Lösungen finden. Selbstverständlich darfst du jedoch Vorschläge machen, z.B.: „Was haltet ihr davon, wenn…“ oder mit Fragen unterstützen („Was wünschst du dir jetzt von deiner Schwester?“)
  6. 6
    Räumliche Trennung nur als Erste-Hilfe-Maßnahme. Es kann durchaus helfen, die Streithähne erst mal voneinander zu trennen, bis sich die Gemüter wieder beruhigt haben. Setze es aber nicht als Strafe ein in dem du sagst: "Alle beide auf eure Zimmer und ihr dürft erst wiederkommen, wenn ihr euch beruhigt habt". Sondern sage eher dazu "Puh, jetzt ist es grade für alle ganz heftig, jetzt brauchen wir alle eine Pause" und gehe mit einem Kind in ein Zimmer und bleibe bei diesem Kind. Setze dies jedoch nicht als Lösung des Streits ein, denn es ist keine! Somit haben die Kinder nicht ihre Wünsche und Bedürfnisse äußern und sich gegenseitig mitteilen können. Ermutige sie also nach der kurzen Trennung zum „Weiterstreiten“ bzw. zum Streit beilegen, z.B. mithilfe des Rede-Püppchens.
  7. 7
    Keine Vorwürfe. Vermeide unbedingt Vorwürfe, Bewertungen oder Verallgemeinerungen wie „Ihr seid unmöglich!“ oder „Müsst ihr euch ständig streiten?“ Erinnere dich immer daran, dass Konflikte vollkommen normal sind und der Entwicklung des Sozialverhaltens dienen. Es gibt also keinen Grund, deine Kinder deswegen zu kritisieren. Beziehe dich nur auf das konkrete Verhalten, z.B.: „Dass du deinen Bruder jetzt gehauen hast, war nicht okay!“
  8. 8
    Achte auf deine Worte. Worte können sehr verletzen und oft ist uns gar nicht bewusst, was wir mit dem Selbstwertgefühl unserer Kinder anrichten, wenn wir sie als „Streithammel“ oder „Zankapfel“ bezeichnen. Vermeide alle Aussagen, die deine Kinder beleidigen oder ihnen das Gefühl geben, etwas Falsches zu tun. Nochmal: Streit ist wichtig für ihre Entwicklung!
  9. 9
    Keine Schuldzuweisungen. Ich erwähnte es bereits: Weise keinem deiner Kinder die Schuld zu. Zum Streiten gehören immer zwei. Und auch das Alter spielt dabei keine Rolle. Vermeide Aussagen wie: „Du bist die Ältere, du musst vernünftig sein und Rücksicht nehmen!“ Dadurch lernt dein Kind, seine Gefühle und Bedürfnisse zu unterdrücken. Es lässt sich dann auch später im Leben zu viel gefallen, hat Mühe, Grenzen zu setzen und sich durchzusetzen.
  10. 10
    Sei nicht nachtragend. Ist der Streit vorbei, geh wieder zur Tagesordnung über und versuche dich möglichst zu entspannen. Wir Erwachsenen neigen dazu, den Konflikt noch ewig in Gedanken mit uns herumzuschleppen. Kinder hingegen können sich vertragen und einträchtig weiterspielen, als wäre nie etwas gewesen. Da können wir uns durchaus mal ein Beispiel dran nehmen 😉
  11. 11
    Vorbild sein. Wenn der Streit zwischen deinen Kindern oft eskaliert oder sich ewig in die Länge zieht, sodass du sehr häufig eingreifen musst, überprüfe auch mal dein eigenes Verhalten. Beziehungsweise das der gesamten Familie. Gibt es oft Streit zwischen dir und deinem Partner / deiner Partnerin? Offen ausgetragen oder auch im Stillen brodelnd? Wie ist dein eigenes Verhalten gegenüber deinen Kindern? Oder gibt es evtl. Teenager im Haushalt, mit denen es häufig zu Konflikten kommt? Kinder lernen ihr Sozialverhalten durch Beobachtung und Nachahmung. Es lohnt sich also ein Blick auf das gesamte Familien-Streitverhalten. Elterncoaching kann dir dabei helfen, die Zusammenhänge leichter zu erkennen und zu lösen. 

Kein Bock auf Streit - wie kann ich vorbeugen?

Geschwister spielen getrennt um Streit vorzubeugen

Nochmal zur Erinnerung: Streit unter Geschwistern ist wichtig für ihre Persönlichkeitsentwicklung.

Aber gerade als Mutter von zwei Jungs verstehe ich dich total: Es nervt, wenn zwischen deinen Kindern ständig die Fetzen fliegen. Und daher fragst du dich vielleicht, ob du diesen ganzen Streitereien auch irgendwie vorbeugen kannst…

Ja, da gibt es durchaus ein paar Möglichkeiten bzw. Punkte, die du mal überprüfen und gegebenenfalls ändern kannst:

  • Sind die emotionalen Grundbedürfnisse nach Verbundenheit und Nähe und Selbstbestimmung erfüllt? Je älter die Kinder werden, desto weniger aktiv bemühen wir uns um die Beziehung zum Kind. Von einem Ort / Termin zum anderen, Sportprogramme, Freunde treffen sind zwar schöne und lustige Aktivitäten, jedoch bleibt oft wenig Zeit, um positive, innige Bindungsmomente mit den Kindern zu erleben. Baue deshalb im Alltag kleine Momente, wie intensiver Augenkontakt, Lächeln, aktives Zuhören, etc. ein um die Bindung zum Kind zu stärken. Denn je mehr Bindung das Kind zu dir spürt, desto weniger Unsicherheit hat es und umso weniger muss es durch Rivalitätskämpfe es erreichen. Lies dich dazu auch in das Thema bindungs- und bedürfnisorientierter Erziehung ein.
  • Fühlen sich die Kinder in ihren Familienpositionen sicher? Gerade das erstgeborene Kind fühlt eine emotionale Trennung durch die Geburt von jüngeren Kindern. Deshalb ist hier ein besonderer Augenmerk auf das Erziehen ohne Schimpfen zu legen, sowie die Stärkung der Eltern-Kind-Bindung. Mehr dazu erfährst du in meinem Spezialkurs "Geschwisterstreit - leicht gelöst"
  • Langeweile führt oft zu vermehrten Konflikten. Wenn Kinder nicht ausgelastet sind, fangen sie häufig aus reiner Langeweile an, zu stänkern und die Geschwister zu ärgern. Bei Eltern entsteht dann der Eindruck, das Kind hätte regelrecht Spaß daran, „gemein“ zu sein – in Wahrheit sucht es nur eine Beschäftigung. Versuche also, deinen Kindern altersgerechte Spiele anzubieten, geh mit ihnen auf den Spielplatz oder in den Wald, sorge für ein bisschen Abwechslung, stärke ihre eigene Resilienz durch spezielle Übungen (mehr dazu findest du hier)
  • Altersgerechte Spielangebote. Besonders ältere Geschwister haben oft das Problem, dass sie auf die jüngeren Kinder Rücksicht nehmen müssen. Da können sie beispielsweise zu Hause nicht in Ruhe puzzeln, weil der kleine Bruder ständig nach den Teilen grapscht oder sie sitzen im Badeparadies stundenlang mit der Schwester im Babybecken, wo sie doch viel lieber die Riesenrutsche ausprobieren würden. Achte daher darauf (und ich weiß, das gelingt nicht immer), dass sich vor allem ältere Kinder nicht ständig nach den Kleineren richten müssen. Das sorgt für Frust und der führt zu Streit…
  • Schaffe Rückzugsmöglichkeiten. Jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, sich auch mal zurückzuziehen und alleine zu sein. Sicher ist das je nach Platz in der Wohnung manchmal schwierig. Aber selbst wenn sich die Geschwister z.B. ein Kinderzimmer teilen, kannst du jedem Kind eine eigene Ecke einrichten, beispielsweise mit kleinen Zelten, umgelegte Stühle, Kissen oder dergleichen. Oder du gibst ihnen die Möglichkeit, sich zeitweise im Elternschlafzimmer zurückzuziehen, wenn sie mal Ruhe vor dem Bruder oder der Schwester brauchen.
  • Exklusivzeit mit Mama/Papa. Wie bereits erwähnt, ist Eifersucht zwischen Geschwistern normal. Beide hätten gerne die komplette Aufmerksamkeit von Mama und Papa. Daher solltest du ihnen ab und zu die Chance geben, alleine Zeit mit Mama bzw. Papa zu verbringen. Das kann eine tägliche Viertelstunde sein oder auch mal ein ganzer Nachmittag oder Tag, wenn es sich einrichten lässt. Das Wichtigste ist hierbei natürlich, dass jedes Kind exakt die gleiche Zeit zugestanden bekommt und dass die Tage nicht zu weit auseinanderliegen. Wenn du alleinerziehend bist, kannst du evtl. Großeltern, Tagesmutter oder Babysitter nutzen, um mal jeweils einen Tag mit jedem Kind einzeln zu verbringen. Da Exklusivzeiten in besonders anstrengenden Phasen oft schwierig zum Umsetzen sind, braucht es dennoch "Exklusivitäten". Das können dann sein, dass z.B. jedes Kind ein eigenes Schlaflied hat, ein bestimmtes Begrüßungsritual, ein eigenes Fotoalbum, eine eigene Geschichte, etc. 
  • Lasse Gefühle zu. Auch wenn du als Elternteil, da nicht gerne hörst: Manchmal wünschen sich die Kinder, dass sie KEIN Geschwisterchen hätten. Diesen Wunsch können wir ihnen natürlich nicht erfüllen. Dennoch lass diese Gefühle deines Kindes zu. Antworte nicht: "Na hör mal, sowas sagt man nicht" sondern versuche Verständnis zu zeigen: "Ja ich weiß, manchmal ist es echt schwer für dich ein Geschwisterchen zu haben. Und manchmal nervt es echt. Ich kann das verstehen..." Das dein Kind solche Gefühle haben darf, wird bereits enorm viel Druck rausnehmen und für Erleichterung sorgen. 
  • Liebevolles Vorbeischauen. Sei ganz ehrlich, wie oft nimmst du dir Zeit, wenn deine Kids gerade friedlich miteinander sind, dass du mit ihnen in Kontakt kommst? Wahrscheinlich eher selten, oder? Weil du wahrscheinlich in dieser, oft kurzen Zeit, schnell schnell was im Haushalt erledigen willst. Ist total verständlich. Denke jedoch daran: Je öfter du deinen Kindern im Vorfeld positive Aufmerksamkeit schenkst, desto weniger müssen sie sich die Aufmerksamkeit „erkämpfen“. Deshalb schau immer wieder liebevoll bei ihnen vorbei und versuche ihnen im Vorfeld positive Rückmeldungen zu geben, wie z.B. „Wow, ich freue mich gerade so für euch, wie euer gemeinsames Spiel gerade klappt. So schön, dass es euch gibt. Zeigt mal was macht ihr gerade…“ oder setz dich für einen Moment zu ihnen und lächle sie an.
  • Über den Tellerrand schauen. Und nicht zuletzt können sich hinter häufigen Streitigkeiten auch andere Sorgen und Probleme verbergen. Du kennst das ja von dir selbst: Wenn du gestresst oder genervt bist oder dich gesundheitlich nicht wohl fühlst, bist du automatisch ziemlich unausgeglichen. Sollten deine Kinder also plötzlich häufiger streiten als sonst, kann sich etwas anderes dahinter verbergen: Stress oder Ärger in der Schule, Ängste, körperliches Unwohlsein, Sorgen innerhalb der Familie und so weiter. Vor allem Mobbing bzw. Cybermobbing kann dazu führen, dass das betroffene Kind seinen Frust zu Hause an den Geschwistern auslässt. 

Zusammenfassung Geschwisterstreit

So, das waren nun recht viele Informationen zum Thema Geschwisterstreit. Fassen wir das Wichtigste nochmal zusammen:

  • Streiten ist vollkommen normal und sogar wichtig für die Entwicklung deiner Kinder
  • Eingreifen ja, jedoch nicht zu früh und nicht zu spät solltest du nur, wenn es eskaliert und/oder eure Streitregeln verletzt werden
  • Achte darauf, WIE du den Streit schlichtest und begleitest
  • Je glücklicher und ausgeglichener deine Kinder (plus die gesamte Familie) generell sind, desto weniger Konflikte wird es geben

In der Regel tun wir Erwachsenen uns mit den Streitigkeiten der Kinder viel schwerer als die Kinder selbst. Wir streben nach Ruhe, Harmonie und einem friedlichen Miteinander – während der Nachwuchs „fröhlich“ aufeinander herumhackt. Vor allem wenn wir uns unter Beobachtung fühlen, spüren wir innerlich den Druck, dass die Kinder ja nicht streiten sollen. Akkurat fangen dann die Kids im Supermarkt, am Familienfest, bei Freundetreff an zu streiten und Mom-Shaming entsteht. 

Doch im Grunde solltest du dir viel eher dann Sorgen machen, wenn deine Kinder nie streiten! Dann kann es nämlich sein, dass sich eins deiner Kinder alles gefallen lässt und fast schon „unterwürfig“ ist, was keinesfalls gut ist für sein Selbstbewusstsein.

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Zum Abschluss habe ich hier noch häufig gestellte Fragen in Bezug auf aggressives Verhalten bei Kindern für dich zusammengefasst:

Häufig gestellte Fragen

1. Warum streiten meine Kinder ständig?

Streit unter Kindern, insbesondere Geschwistern, ist vollkommen normal. Sie trainieren damit ihr
Konflikt- und Sozialverhalten und bilden ihre Persönlichkeit aus.
Außerdem sind Geschwister in gewisser Weise Rivalen. Neid, Eifersucht und der „Kampf“ um die
Aufmerksamkeit der Eltern gehören daher unvermeidlich dazu.

2. Wieviel Streit unter Geschwistern ist normal?

Studien belegen, dass Geschwister alle 10 bis 20 Minuten streiten. Oft endet die Auseinandersetzung
allerdings genauso schnell wieder, wie sie begonnen hat.

Besonders in intensiven Entwicklungsphasen, wie in der Trotzphase oder Wackelzahnpubertät, häufen sich Streitereien der Geschwister ebenso. 

3. Was tun, wenn Kinder immer streiten?

Nehmen die Streitereien wirklich überhand, können die folgenden Tipps helfen:

4. Wie gehe ich mit Konflikten zwischen Kindern um?

Versuche möglichst ruhig zu bleiben und dich nicht emotional hineinziehen zu lassen. Beachte dabei die 10 Streitschlicht-Regeln für Eltern.
Mach dir nicht zu viele Sorgen, denn Kinder müssen Konflikte austragen, um ihr Sozialverhalten zu trainieren!

5. Wann sollte ich in einen Streit eingreifen?

Sobald du merkst, dass ein Kind lauter, aggressiver, bestimmter wird oder ein Kind gar nichts mehr sagt oder spätestens wenn es zu Handgreiflichkeiten kommt wie Schubsen, Hauen, Boxen, etc. solltest du sofort eingreifen. Gehe mit deinem Körper am besten zwischen den Kindern um die Aufmerksamkeit weg vom Konflikt hin zu dir gelenkt wird. 

6. Wie schlichte ich einen Streit zwischen meinen Kindern?

Bleib ruhig! Gehe körperlich zwischen den Kindern oder halte deine ausgestreckte Hand zwischen den Beiden um körperliche Angriffe zu verhindern. Vermeide Schuldzuweisungen oder Strafen und erziehe ohne Schimpfen. Lass deine Kinder möglichst selbst Lösungen finden, wie der Streit beigelegt werden kann. Selbstverständlich darfst du unterstützen und Vorschläge machen.

7. Warum sollen Kinder Konflikte auch selber lösen?

Sie trainieren damit unter anderem, eigene Grenzen zu setzen und gleichzeitig die Grenzen anderer zu respektieren. Sie lernen, ihre Meinung zu sagen und auch, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss. Je älter sie werden,
desto öfter werden sie Auseinandersetzungen auch friedlich bzw. mittels Kommunikation klären.

Das alles sind wichtige Grundlagen für die eigene Resilienz, ein späteres soziales Miteinander in Schule, Beruf und
Privatleben.