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Gefühlsstarke Kinder: Test + Survival-Strategie für Eltern

Jubelnde Freude, abgrundtiefe Traurigkeit, unbändige Wut?

Dein Kind kennt nur extreme Gefühle?

Dann ist dein Kind möglicherweise gefühlsstark...

Was genau das für dich und dein Kind bedeutet, wie du die besonderen Fähigkeiten erkennst, auf was du bei euren täglichen Herausforderungen beachten sollst und wie du deinem Kind jetzt hilfst, das verrate ich dir hier. 

Los geht's!

Gefühlsstarke Kinder reagieren mit extremen Gefühlen: Enorme Freude oder abgrundtiefe Wut

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Was sind gefühlsstarke Kinder?

Gefühlsstarke Kinder fühlen Emotionen besonders intensiv. Das gilt sowohl für positive als auch negative Gefühle. Auf einer Gefühls-Skala von 0 bis 10 kennen sie nur das eine oder das andere Extrem – etwa überschäumende Freude oder abgrundtiefe Wut. Zwischenstufen gibt es kaum oder gar nicht. 

Den Begriff “gefühlsstarkes Kind” hat die Autorin Nora Imlau in ihrem Buch “So viel Freude, so viel Wut” geprägt. Gefühlsstarke und hochsensible Kinder sowie High Need Kinder zeigen zum Teil ähnliche Verhaltensweisen (mehr dazu später). 

Aber woher kommen diese starken Gefühle eigentlich? 

Darum entwickeln manche Kinder stärkere Gefühle als andere

Gefühlsstarke Kinder erleben alle Reize um ein Vielfaches stärker als andere Kinder. Dementsprechend heftiger sind ihre davon ausgelösten Gefühle. 

Zwei Kinder sitzen auf dem Boden und haben eine kaputte Socke. Das gefühlsstarke Kind von beiden bekommt einen Gefühlsausbruch.

Die Verarbeitung dieser intensiven Gefühle überfordert das Kind und führt automatisch zu einem stark impulsgetriebenen Verhalten und emotionaler Überforderung:

Reizoffenheit = intensivere Wahrnehmung = stärkere Gefühle = heftigeres Verhalten

Diese besondere Reizoffenheit und damit verbundene Gefühlsstärke ist eine angeborene Charaktereigenschaft. Die Ursache liegt in einer besonders empfindlicher Amygdala – sie ist das Emotionszentrum des Gehirns. 

Weder die Eltern noch die Erziehung, das Umfeld oder dein Kind selbst haben also einen Einfluss darauf, ob ein Kind gefühlsstark ist oder nicht. 

Genau so wie manche Kinder ein besonders starkes Selbstbewusstsein oder viel Fantasie haben, fühlen andere Kinder eben besonders starke Gefühle. Das bedeutet gleichzeitig, dass gefühlsstarke Kinder nicht krank sind. 

Und ich kann dich noch weiter beruhigen: Das Gefühlsspektrum gefühlsstarker Kinder bewegt sich meistens ohnehin im Normalbereich – wenn auch an der Grenze. Leider führt das immer noch oft dazu, dass das Kind gemobbt wird.

Kurz zusammengefasst solltest du diese 3 grundlegende Punkte verinnerlichen: 

  • Gefühlsstärke ist keine Krankheit, sondern eine angeborene Charaktereigenschaft
  • Es ist nicht schlimm, dass dein Kind stärkere Gefühle als andere Kinder fühlt
  • Du bist nicht Schuld daran

So. Jetzt haben wir schon viel über Gefühle gesprochen. Und obwohl wir uns täglich mit unseren Gefühlen auseinandersetzen, weiß kaum jemand, was genau Gefühle eigentlich sind. 

Schauen wir uns das also genauer an: 

Was sind eigentlich Gefühle und was machen sie mit uns?

Gefühle oder Emotionen sind Empfindungen, die von bestimmten Sinneseindrücken ausgelöst werden. Alles, was wir sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen veranlasst unser Gehirn zu einer bestimmten Interpretation, die unmittelbar in ein Gefühl übersetzt wird. 

Zur Veranschaulichung ein Beispiel: 

Beispiel: Du schenkst deinem Kind zum Geburtstag ein Kuscheltier.

  • Sinneseindruck: Dein Kind sieht das Kuscheltier.
  • Interpretation deines Kindes: “Oh, so ein schönes Kuscheltier!”
  • Gefühl: Freude.

Aber jetzt wird es erst richtig spannend – denn es geht noch weiter: 

Emotionen (von engl. motion = Bewegung) sind nicht nur “im Kopf”. Wie der Name schon sagt, bewegt sich etwas in uns. Gefühle rufen somit auch körperliche Reaktionen hervor: 

Gefühlsstarke Kinder - Grafik: So entstehen Gefühle

Es ist nahezu unmöglich, starke Gefühle zu spüren und den Körper gleichzeitig ruhig zu halten. Das kennst du bestimmt. Und je stärker das Gefühl, desto stärker ist auch die Körperreaktion. 

Der Körper ist das “Ventil” für die Gefühle.

Diese Körperreaktion sollte nie unterdrückt werden, denn sie erfüllt einen wichtigen Sinn:

Gefühle müssen gefühlt werden

Für Kinder – und vor allem für gefühlsstarke Kinder – ist es absolut wichtig und notwendig, Gefühle voll und ganz auszuleben: 

Denn nur so können sie ihre Gefühle kennen und regulieren lernen.

An dieser Stelle kommen wir Eltern ins Spiel: Deine Reaktion auf die Gefühle und das Verhalten deines Kindes bestimmt, ob es diese ausleben kann oder unterdrücken muss (schau die hierzu auch meinen Artikel zur bedürfnisorientierten Erziehung an): 

  • Lehnst du die Gefühle deines Kindes ab (z.B. durch “Nun hab dich nicht so” oder “Ist doch nicht so schlimm”), signalisiert du ihm, dass das was es fühlt, falsch ist. Das endet darin, dass dein Kind dann versucht seine “falschen” Gefühle zu unterdrücken.
  • Nimmst du die Gefühle deines Kindes ernst und akzeptierst sie, gibst du ihm die Erlaubnis, heftige Gefühle auszuleben und die Gefühlsregulation zu lernen.

Vielleicht fällt es dir schwer, die starken Gefühle deines Kindes nachzuvollziehen und nicht davon genervt zu sein. Aber ich kann dich beruhigen: Das ist normal. 

Der Grund dafür ist, dass du einfach schon viel mehr Zeit hattest, um zu lernen wie du deine Gefühle regulierst. Auch dein Kind braucht diese Zeit: 

Warum Kinder ihre Emotionen (noch) nicht kontrollieren können

Bis zum 7. Lebensjahr haben Kinder kaum Kontrolle über ihre Gefühle. Denn die Gefühlsregulation hängt mit der Gehirnreife zusammen. Und diese ist erst im Alter von ca. 21 bis 25 Jahren vollständig entwickelt.

Dazu kommt, dass Kinder zunächst nur ein Gefühl nach dem anderen fühlen können. Das ist wichtig, damit die vielen gleichzeitig einströmenden Gefühlen dein Kind nicht überfordern. Ungefähr so, wie wenn dein Kind ein Instrument lernen würde: Es lernt ein Ton nach dem anderen – und beginnt nicht sofort Akkorde zu spielen. 

Schon ein einziges Gefühl ist für dein Kind so viel, dass dieses Gefühl es voll und ganz einnimmt: Dein Kind ist das Gefühl. Das bedeutet gleichzeitig, dass es nicht selbst reflektieren und sich beruhigen kann. 

Gefühlsstarke Kinder erleben das Ganze nochmal mindestens 10 Mal stärker. Kein Wunder, dass sie auch heftiger reagieren, oder? Gefühlsbetonte Phasen wie die Trotzphase, die Autonomiephase oder die Wackelzahnpubertät sind bei gefühlsstarken Kindern deshalb umso intensiver ausgeprägt. 

Und das bringt uns auch schon zum nächsten Thema: 

Gefühlsstarke Kinder: Merkmale

Folgende Merkmale sind typisch für gefühlsstarke Kinder (vgl. Nora Imlau): 

Gefühlsstarke Kinder…

  • spüren Gefühle sehr intensiv und wechseln von einem Extrem stufenlos ins nächste
  • machen ihren Gefühlen lautstark Luft
  • besitzen einen starken Willen und Durchsetzungsvermögen
  • Haben ein großes Bedürfnis nach Autonomie
  • sind durch die schnelle Reizüberflutung besonders sensibel 
  • haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu regulieren
  • besitzen eine ausgeprägte Sinneswahrnehmung
  • können sich in die Gefühle anderer Kinder gut hineinversetzen
  • zeigen einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit
  • reagieren empfindlich auf Routinen: Entweder sie beharren auf feste Abläufe oder empfinden sie als starke Einschränkung
  • haben Probleme beim Einschlafen
  • besitzen (zu) viel Energie, sind sehr aktiv, abenteuerlustig und stets auf der Suche nach Reizen
  • empfinden Veränderung als großen Stress

Viele dieser Merkmale gefühlsstarker Kinder zeigen auch hochsensible Kinder. Beide werden oft als “schwer erziehbare Kinder” abgestempelt. Doch was genau ist der Unterschied?

Was unterscheidet gefühlsstarke Kinder von hochsensiblen Kindern?

Auch Kinder mit Hochsensibilität sind besonders empfindlich, teilweise sehr impulsiv und mögen keine Veränderung. Die Unterscheidung ist deshalb nicht ganz einfach.

Obwohl die Grenzen fließend sind, lassen sich folgende Unterschiede relativ klar erkennen: 

Gefühlsstarke Kinder…

Hochsensible Kinder...

Zeigen Gefühle im Außen

Zeigen Gefühle im Innen

Sind eher extrovertiert

Sind eher introvertiert bzw. ängstliche Kinder

Zeigen ein großes Bedürfnis nach Autonomie

Zeigen ein großes Bedürfnis nach Ruhe

Sind sehr willens- und durchsetzungsstark

Meiden Reize und Konfrontation eher

Sind häufig wild, laut und abenteuerlustig

Sind häufig hochbegabt und perfektionistisch

Grob kannst du dir also folgendes merken: 

Gefühlsstarke und hochsensible Kinder fühlen besonders intensiv, aber unterscheiden sich im Umgang damit: Gefühlsstarke Kinder sind eher laut und nach außen gekehrt, hochsensible Kinder eher leise und nach innen gekehrt.  

Bitte verstehe diese Unterscheidung als grobe Einordnung. Nicht auf jedes Kind treffen alle Punkte genau so zu. 

Aber keine Sorge, wenn du noch unsicher bist – genau deshalb habe ich den folgenden Test “Gefühlsstarke Kinder erkennen” für dich entwickelt: 

Test: Gefühlsstarke Kinder erkennen

Mit diesem Test findest du heraus, ob dein Kind wirklich gefühlsstark ist – es dauert nur 2 Minuten:

So. Hast du den Test gemacht?

Wenn ja, dann kennst du ja jetzt dein Ergebnis. Da fragst du dich sicherlich, wie es nun weitergehen soll. Falls dein Kind also wirklich gefühlsstark ist und du denkst:

“Mein Kind ist so anstrengend, ich kann nicht mehr!” 

– dann lies jetzt unbedingt weiter…

Umgang mit deinem gefühlsstarken Kind: Der Survival-Kompass 

Du kannst zwar nicht beeinflussen, ob dein Kind gefühlsstark ist. Aber du kannst beeinflussen, wie du mit deinem gefühlsstarken Kind umgehst und es am besten unterstützt. 

Betrachte es einmal wie folgt: 

Für dein Kind sind seine starken Gefühle wie ein riesiger Dschungel: Überall lauern Abenteuer und Gefahren, die es bewältigen muss. Und du steckst mit drin! Zu zweit seid ihr ein Entdecker-Team, dass sich seinen Weg durch den Gefühlsdschungel schlagen muss…

Und weil du schon viel größer bist und deshalb den Dschungel besser überblicken kannst, hast natürlich auch du den Kompass in der Hand – den Survival-Kompass. 

Der Survival-Kompass ist ein Weg, mit dem du dein Kind sicher durch den Gefühlsdschungel navigieren kannst. Er zeigt dir die 5 wichtigsten Strategien zur Unterstützung deines Kindes: 

Der Survival-Kompass: Methode für den Umgang mit gefühlsstarken Kindern

Lass mich dir das genauer erklären: 

1. Die Basis: 3-Regeln

Es gibt 3 feste Regeln, die für dein Kind IMMER gelten sollten. Sie sind die absolute Basis für den sicheren Umgang mit starken Gefühlen, um sich selbst oder andere nicht zu gefährden:

  1. 1
    Keiner tut sich selbst weh.
  2. 2
    Keiner tut anderen weh.
  3. 3
    Keiner darf Dinge kaputt machen.

Egal, wie viel Wut,  Aggression, Freude oder Frust dein Kind spürt – diese Regeln müssen eingehalten werden. Mehr Infos zu diesen Regeln findest du im Artikel Regeln für Kinder: Diese 3 Regeln braucht jedes Kind.

Die Ausgangslage ist jetzt also klar. Im nächsten Schritt zeige ich dir, wie du Gefühlsausbrüchen bei deinem Kind vorsorgen kannst: 

2. Die Vorsorge: Ursachenforschung

Bestimmte Reize lösen bei deinem Kind immer wieder die gleichen Gefühle hervor. Am häufigsten sind das: 

  • Hunger oder Durst
  • Müdigkeit
  • Auf die Toilette müssen

Aber auch laute Musik oder bestimmte Routinen können heftige Gefühle bei deinem Kind hervorrufen. Erforsche, welche Ursache der Gefühlsausbruch deines Kindes hat und versuche, Muster darin zu erkennen. Denn so kannst du Risiken von vornherein umschiffen oder passende Lösungen entwickeln. 

Eine Schatzkarte mit Reizen als Gefahrenquelle: Versuche, wie auf einer Schatzkarte schlimme Reize für dein Kind von vornherein zu umschiffen

Das klappt natürlich nicht immer. Und wie du bereits weißt, sollen Gefühle ja auch ausgelebt werden. Deshalb verrate ich dir nun meine beste Strategie, um mit starken Gefühlen deines Kindes umzugehen: 

3. Der Akutfall: Gefühlsstarke Kinder beruhigen

Ganz viel Freude ist toll – aber was tun bei Wutanfällen, Frust oder Angst? Die Zauberformel, mit der du dein gefühlsstarkes Kind bei starken negativen Gefühlen beruhigst, besteht aus 3 Schritten:

  1. 1
    Ruhe bewahren: Sorge dafür, dass du dich selbst nicht vom Gefühlssturm deines Kindes mitreißen lässt und anfängst, zu schimpfen. 
  2. 2
    Gefühle begleiten: Zeige Verständnis für die Gefühle deines Kindes und benenne sie. Dadurch fühlt sich dein Kind gesehen und weiß, dass du ihm hilfst. 
  3. 3
    Energie umleiten: Finde einen Weg, die von den starken Gefühlen freigesetzte Energie so umzuleiten, dass dein Kind weder sich noch sein Umfeld gefährdet (vergleiche dazu Punkt 1 bzw. die 3 Regeln für Kinder). 

Ich nenne diese Methode auch die Wut-weg-Ampel. Sie lässt sich problemlos auf andere Gefühle wie Angst übertragen. Eine genauere Beschreibung der Vorgehensweise, Hinweise, Tipps und Beispiele findest du hier: 

So ein Gefühlssturm ist auch für uns Eltern kräftezehrend. Deshalb ist es wichtig, dass du deine Energie auch wieder auflädst. 

4. Pausen: Energie aufladen und Selbstfürsorge

Jeder Abenteurer weiß: Ohne Pausen kommt man nicht ans Ziel und Überlastung endet früher oder später in einer Katastrophe. Man muss sich seine Kräfte gut einteilen. 

Eltern on gefühlsstarken Kindern sollten auf Selbstfürsorge achten, damit ihnen die Energie nicht ausgeht.

Genau so ist es auch im echten Leben: Wenn du nicht auf dich selbst und deine Gesundheit achtest, sind Erschöpfung, Frust und Genervtheit vorprogrammiert. 

Dabei vergessen viele Eltern, dass Selbstfürsorge keineswegs egoistisch ist. Sogar das Gegenteil ist der Fall: 

Das Schlimmste für dein Kind ist es, wenn es dich braucht und du nicht da bist – weil du einfach nicht mehr kannst.  

Versuche deshalb, jeden Tag kleine Entspannungsübungen oder etwas Zeit für dich selbst einzuplanen. Es reichen schon 10 bis 15 Minuten am Tag für zum Beispiel: 

  • Eine Achtsamkeitsübung
  • Einen Power-Nap
  • Deinen Lieblingssong
  • Eine Fantasiereise, Mentalgeschichte oder Meditation
  • Eine kurze Atemtechnik
  • Ein kurzer Spaziergang

Zuletzt folgt noch die “Mitte” des Survival-Kompass, die alles zusammenhält: 

5. Das Abenteurer-Mindset

Liebevolle Begleitung und Erziehen ohne Schimpfen sind eine besondere Herausforderung, wenn du ein gefühlsstarkes Kind in der Familie hast. Denn alles ist extrem. Manchmal ist es ein richtiger Kampf, nicht genervt auf dein Kind zu reagieren oder zu schimpfen.

Um diesen inneren Kampf zu gewinnen und deine eigenen Gefühle zu kontrollieren, brauchst du ein starkes Mindset. In diesem Fall bedeutet es Durchhaltevermögen, einen starken Glauben und viel Vertrauen in dich selbst und dein Kind zu entwickeln. 

Mit dem Abenteurer-Mindset bist du dazu genau richtig ausgestattet: 

  1. 1
    Bleib ruhig!
  2. 2
    Wir halten zusammen!
  3. 3
    Wir schaffen das!

Behalte dazu auch immer im Hinterkopf: Gefühlsstärke ist keine Schwäche, sondern eine besondere Charaktereigenschaft. 

Gefühlsstarke Kids sind starke Kids!

Jetzt weißt du, wie du dein gefühlsstarkes Kind mit dem Survival-Kompass optimal unterstützt. Zusätzlich können dir auch noch die Tipps aus dem Artikel zur Trotzphase helfen. 

Aber Vorsicht: Tappe nicht in die Falle dieser 4 häufigsten Fehler im Umgang mit gefühlsstarken Kindern….

Vermeide diese 4 Fehler bei gefühlsstarken Kindern

Gravierende Fehler im Umgang mit deinem gefühlsstarken Kind können deine ganzen Bemühungen zunichte machen. Lies deshalb diesen Abschnitt aufmerksam durch: 

  1. 1
    Die Diagnose über die Bedürfnisse deines Kindes stellen: Erwachsene neigen dazu, für jedes Problem eine Diagnose finden zu wollen – egal ob hochsensible Kinder, Kinder mit Autismus oder die Trotzphase. Doch nur weil du zum Beispiel diesen Artikel gelesen hast, heißt es nicht automatisch, dass alle Tipps auch deinem Kind helfen. Schau in erster Linie auf die Bedürfnisse deines Kindes, ohne ihm Lösungen blind aufzustülpen, die dann nichts bewirken. Dein Kind braucht dich als wichtigste Bindungsperson. DU selbst bist sehr oft die Lösung für dein Kind. Stärke die Bindung zu deinem Kind, in dem du bedürfnisorientiert erziehst.
Das gefühlsstarke Kind hat ein Bedürfnis und zieht an seiner Mama, aber die Mama reagiert nicht, weil sie so beschäftigt ist
  1. 2
    Die Gefühle deines Kindes abwerten: Dieser Punkt ist so wichtig, dass ich ihn trotz vorheriger Erwähnung noch ein zweites Mal ansprechen muss. Verunglimpfe niemals die Gefühle deines Kindes durch Aussagen wie “Sei nicht so empfindlich!” oder “Reg dich nicht so auf, es ist doch nichts passiert.”
  2. 3
    Die Gefühle deines Kindes ignorieren: Ignoranz ist sogar noch schlimmer als Abwertung, weil du dich deinem Kind gar nicht zuwendest, obwohl es Hilfe braucht. Vor allem ein Baby solltest du entgegen landläufiger Meinung niemals einfach schreien lassen. Lerne stattdessen, wie du aggressive Gefühle und Wutanfälle deines Kindes schimpffrei begleitest.
  3. 4
    Das Kind viel zu schimpfen oder zu bestrafen: Vor allem, wenn dein Kind nicht auf dich hört, werden wir Eltern selbst sehr schnell wütend und fangen dann an, das Kind zu beschimpfen oder zu bestrafen. Das mag vielleicht kurzfristig eine Wirkung haben, langfristig schadet das deinem Kind enorm, weil es keine ausreichende Resilienz entwickeln kann. 

Bonus: Gefühlsstarke Kinder in der Pubertät

Im Teenageralter können Kinder ihre Gefühle schon viel besser kontrollieren, als mit 3 oder 5 Jahren. Doch in der Pubertät findet ein erneuter Gehirnumbau statt, was ganz neue Herausforderungen mit sich bringt. In diesem Alter werden starke Gefühle und Gefühlsausbrüche deshalb wieder häufiger. 

Natürlich erfordert ein 14-Jähriger einen anderen Umgang als ein Grundschulkind. Dennoch können viele Tipps aus diesem Artikel auch bei Teenagern hilfreich sein, zum Beispiel die 3 Regeln für Kinder und die Tipps zur Selbstfürsorge (Punkt 4 des Survival-Kompass). Gerade auch bei gefühlsstarken Erwachsenen wird Selbstfürsorge zu einem immer wichtigeren Thema. 

Folgende Punkte solltest du beim Umgang mit deinem gefühlsstarken Kind in der Pubertät zusätzlich beachten: 

  • Schaffe bei Wutanfällen eine ruhige Atmosphäre und signalisiere “Es ist ok, dass du wütend bist.”
  • Erkenne und respektiere die Bedürfnisse deines Kindes: Vor allem Privatsphäre wird in der Pubertät immer wichtiger. Mehr Infos findest du im Artikel zur bedürfnisorientierten Erziehung.
  • Biete deinem Kind Hilfe an, aber dränge sie ihm nicht auf. Wenn dein Kind von sich aus nicht über seine Gefühle reden will, wende diesen Vertrauens-Trick an: Erzähle im Gespräch zunächst von dir selbst und deinen Gefühlen. Das ermutigt dein Gegenüber automatisch, sich ebenfalls zu öffnen. 
  • Verzeihe Fehler. Auch wenn dein Kind mal patzig reagiert oder abends länger draußen bleibt als abgesprochen – verzeihe ihm seine Fehler. Natürlich ist es wichtig, deine persönlichen Grenzen klar zu setzen. Aber dein Kind wird es dir danken, wenn du auf seiner Seite bleibst und Verständnis zeigst. Das schafft Vertrauen und stärkt eure Bindung. 

So. Nun habe ich dir alles an die Hand gegeben, was du rund um gefühlsstarke Kinder wissen musst. Lass mich die wichtigsten Dinge noch mal zusammenfassen: 

Zusammenfassung

Folgendes solltest du dir merken: 

  • Gefühlsstarke Kinder erleben alle Reize um ein Vielfaches stärker als andere Kinder. Dementsprechend heftiger sind die davon ausgelösten Gefühle. 
  • Gefühlsstärke ist keine Krankheit. Es ist eine angeborene Charaktereigenschaft wie Schüchternheit oder ausgeprägte Fantasie.
  • Gefühle müssen ausgelebt und sollten keinesfalls unterdrückt werden. Nur so können Kinder ihre Gefühle kennen und regulieren lernen. 
  • Gefühlsstarke Kinder zeichnet neben extremen und wechselhaften Gefühlen einen starken Willen, viel Energie und ein hohes Autonomiebedürfnis aus. 
  • Die Merkmale gefühlsstarker Kinder und hochsensibler Kinder sind ähnlich, aber unterscheidbar. 
  • Mit meinem Test “Gefühlsstarke Kinder erkennen” kannst du herausfinden, ob dein Kind wirklich gefühlsstark ist. 
  • Der Survival-Kompass zeigt dir, wie du dein gefühlsstarkes Kind am besten unterstützen kannst.

Zum Abschluss habe ich hier noch häufig gestellte Fragen in Bezug auf gefühlsstarke Kinder für dich zusammengefasst:

Häufig gestellte Fragen

1. Sind Kinder, die nicht gefühlsstark sind, im Umkehrschluss denn gefühlsarm?

Nein. Sie haben ein “normal” ausgeprägtes Gefühlsempfinden. Kinder, die kein sehr starkes Selbstbewusstsein haben, müssen ja auch nicht automatisch schüchtern sein.

2. Brauchen gefühlsstarke Kinder eine Therapie?

Nein,  gefühlsstarke Kinder keine Therapie oder Medikamente, denn Gefühlsstärke ist keine Krankheit. Ihr Gefühlsspektrum bewegt sich meistens ohnehin im Normalbereich – wenn auch an der Grenze. 

Wichtiger ist es, die Bedürfnisse deines Kindes zu verstehen und zu erfüllen. Dabei hilft dir die Survival-Kompass-Methode.

3. Wie erkennt man gefühlsstarke Kinder?

Ein gefühlsstarkes Kind reagiert auf Reize deutlich heftiger als andere Kinder. Es drückt seine Emotionen vor allem im Außen aus, ist laut, wild und sogar aggressiv. Außerdem ist es sehr willensstark und autonomiebedürftig.

Mit meinem Test findest du in 2 Minuten heraus, ob dein Kind gefühlsstark ist: 

Gefühlsstarke Kinder: Test

Falls der Test negativ ausfällt, hast du vielleicht ein hochsensibles Kind oder ein Kind mit Autismus

4. Was tun bei gefühlsstarken Kinder?

Gefühlsstarke Kinder brauchen die Hilfe ihrer Eltern, um mit ihren heftigen Gefühlen zurechtzukommen. Am wichtigsten ist es, Vertrauen zu deinem Kind aufzubauen und ihm auch in schwierigen Situationen beizustehen. 

Eine wirksame Methode dazu ist der Survival-Kompass. Im Akutfall kannst du auch die Wut-weg-Ampel anwenden, um dein gefühlsstarkes Kind zu beruhigen. 

5. Was ist ein High Need Kind?

High Need Kinder sind Kinder mit besonders hohen Bedürfnissen (engl. high need = hohes Bedürfnis). Sie brauchen besonders viel Nähe und Zuwendung, schreien viel, schlafen wenig  und halten es nur schwer aus, wenn ihre Bedürfnisse nicht sofort erfüllt werden. Der Begriff High Need Kind wurde vom amerikanischen Kinderarzt Dr. William Sears geprägt. 

Die Merkmale von High Need Kindern und gefühlsstarken Kinder weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Im Gegensatz zu gefühlsstarken Kindern liegt das besondere Verhalten von High Need Kindern jedoch nicht zwingend an der überdurchschnittlich intensiven Wahrnehmung von Reizen.

Viel wichtiger als die “richtige” Diagnose ist jedoch der bedürfnisorientierte Umgang mit deinem Kind (klicke hier für mehr Infos zum Thema: bedürfnisorientierte Erziehung).