Autismus ist eine Entwicklungsstörung, die sich bereits im Kleinkindalter zeigt. Dennoch wird sie oft erst spät oder gar nicht diagnostiziert. Vor allem leichtere Formen wie das Asperger-Syndrom bleiben häufig unerkannt.
Aber auch wenn die Diagnose feststeht, haben viele Eltern und Angehörige Schwierigkeiten im Umgang mit dem betroffenen Kind. Das führt sehr oft zu vielen Missverständnissen und Konflikten.
Dieser Artikel soll dir also in erster Linie Hinweise geben,...
Damit wird das Leben für euch alle wesentlich leichter und entspannter…
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Was ist Autismus? Eine kurze Einführung
Um gleich mal mit den größten Missverständnissen aufzuräumen:
- 1Autismus ist keine Krankheit. Es ist eine Entwicklungsstörung, die sich in sehr vielfältigen Formen, Ausprägungen und Schweregraden zeigt. Daher spricht man auch von einer Autismus-Spektrum-Störung. Je nach Schweregrad gibt es verschiedene Bezeichnungen (siehe „Die 3 häufigsten Formen von Autismus“)
- 2Autismus ist nicht heilbar. Es lassen sich lediglich die Symptome und die daraus resultierenden Schwierigkeiten im Alltag „behandeln“ – in Form von Verhaltenstherapien beispielsweise. Die Prognose richtet sich demnach auch sehr individuell nach dem jeweiligen Schweregrad.
- 3Autismus ist angeboren. Die Ursachen von Autismus sind nicht hundertprozentig bekannt. Anhand der Zwillingsforschung werden genetische Anlagen vermutet. Sehr selten können auch einige Krankheiten bewirken, dass ein Kind autistische Züge entwickelt (z.B. Tuberöse Sklerose).
Grundsätzlich handelt es sich um eine gestörte Entwicklung der Hirnfunktionen. Betroffen sind in erster Linie die Gehirnbereiche, die für die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten zuständig sind.
Trotz der sehr individueller Ausprägungen gibt es etliche Merkmale, die autistische Kinder gemeinsam haben. Kommen wir daher nun zu den Anzeichen einer autistischen Störung:
Wie äußert sich Autismus bei Kindern?
Die folgende Grafik zeigt die üblichen Merkmale und Symptome einer Autismus-Spektrum-Störung:
Wie gesagt, die Ausprägung kann sehr unterschiedlich sein.
Die größten Unterschiede gibt es vermutlich im Bereich der Intelligenz. Während der frühkindliche Autismus meistens mit einer eingeschränkten Intelligenz einhergeht, können Kinder mit Asperger-Autismus sogar hochbegabt sein.
Im letzteren Fall zeigt sich dann sehr oft eine sogenannte Inselbegabung, d.h. eine überdurchschnittliche Begabung in einem bestimmten Bereich. Oft sind das mathematische oder wissenschaftliche Themen, aber auch das ist sehr individuell. So zeigt mein Sohn beispielsweise außerordentliche musikalische sowie sprachliche Fähigkeiten.
Doch nicht jedes Kind, welches gerne alleine spielt oder Blickkontakt meidet, hat deswegen gleich Autismus. Daher möchte ich hier noch etwas genauer auf die einzelnen Merkmale eingehen:
1. Auffälligkeiten in der Interaktion
Autisten meiden in der Regel den direkten Blickkontakt. Das kann mitunter schon bei Babys auffallen. Besonders beim frühkindlichen Autismus zeigen sich schon sehr zeitig gewisse Auffälligkeiten. So kann es sein, dass betroffene Babys kaum oder gar nicht auf ihre Eltern reagieren. „Normale“ Babys beobachten die Eltern, lächeln ca. ab dem 2. Lebensmonat zurück, wenn sie angelächelt werden und zeigen verschiedene Mimiken.
Das ist bei autistischen Babys – je nach Ausprägung – anders. Manche Eltern denken sogar, ihr Kind wäre blind oder hörgeschädigt, weil es nicht auf Interaktionen reagiert oder sogar völlig teilnahmslos wirkt. Dies sollte natürlich ärztlich abgeklärt werden.
Auch in punkto Körperkontakt verhalten sich Autisten anders. Während Babys und Kleinkinder normalerweise die Nähe zu den Eltern suchen, hat man bei autistischen Kindern oft das Gefühl, dass sie sich regelrecht dagegen sträuben. So lassen sie sich beispielsweise nicht beruhigen, wenn sie in den Arm genommen werden oder wehren sich direkt dagegen.
Bei leichteren Formen wie z.B. dem Asperger-Syndrom fallen diese Aspekte oftmals erst später auf, wenn sich der Kontakt nicht mehr nur auf Eltern und Familie beschränkt. Mehr dazu im nächsten Punkt:
2. Auffälligkeiten im sozialen Bereich
Alle Kinder mit autistischen Zügen zeigen Auffälligkeiten in Bezug auf soziale Kontakte. Doch auch hier gibt es wieder ein sehr breites Spektrum.
Während die einen überhaupt nicht daran interessiert sind, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen, wünschen sich andere autistische Kinder durchaus Freundschaften. Es fällt ihnen allerdings schwer, diese aufzubauen und/oder zu halten. In der Regel haben sie maximal eine/n Freund/in anstatt eines großen Freundeskreises. An diese eine Bezugsperson klammern sie sich dann allerdings sehr intensiv, was wiederum zu Problemen führen kann (z.B. durch Eifersucht).
Je nach Schweregrad bemerken Eltern diese Auffälligkeiten in der Regel erst innerhalb der ersten Lebensjahre. Meistens zeigt es sich, wenn die Kinder in die Kita kommen. Während andere Kinder den Kontakt zu Gleichaltrigen suchen, verhalten sich autistische Kinder diesbezüglich desinteressiert oder sogar aktiv abweisend.
Eigenes Beispiel
(Die Autorin dieses Artikels ist Mutter eines inzwischen 23-jährigen Sohnes mit Asperger-Autismus.)
Obwohl mein Sohn „nur“ vom Asperger-Syndrom betroffen ist, fiel mir relativ früh auf, dass er anders war als andere Kinder. Ich ging mit ihm von Anfang an einmal monatlich zum „Babytreffen“. Während sich die anderen Babys mehr oder weniger neugierig beäugten, schrie meiner aus Leibeskräften, sobald eines der anderen Kinder zappelte oder ein Geräusch von sich gab. Er ließ sich dann auch nicht wieder beruhigen.
In der Annahme, er wäre es lediglich nicht gewohnt, unter Kindern zu sein, besuchte ich ab dem 8. Monat mit ihm wöchentlich eine Krabbelgruppe. Doch auch dort geschah das Gleiche. Kaum war er im Raum mit den anderen Kleinkindern, krallte er sich an mir fest und brüllte so lange, bis wir nach ca. 1 Stunde wieder gingen. Das wiederholte sich Woche für Woche. Die Leiterin der Gruppe sagte, so etwas hätte sie noch nie erlebt…
Erst mit 2 Jahren besserte sich die Situation plötzlich, als er merkte, dass er den anderen Kindern einfach aus dem Weg gehen konnte. So konnte er dann sogar die Kita besuchen, wo er meistens für sich alleine spielte und zunächst als ruhiges, zurückhaltendes und liebes Kind geschätzt wurde.
Sobald also auffällt, dass sich das Kind Gleichaltrigen gegenüber anders verhält als andere Kinder, sollte die Möglichkeit einer Autismus-Störung in Betracht gezogen werden.
3. Emotionale Besonderheiten
Im Bereich der Emotionen zeigen sich bei Autisten zwei Auffälligkeiten:
- 1Ihr Emotions-Spektrum ist stark reduziert. D.h., sie wirken entweder sehr emotionslos (verträumt, in-sich-gekehrt, teilnahmslos) oder zeigen nur wenige, dafür aber sehr extreme Gefühlslagen und haben diese dann nur schwer oder gar nicht unter Kontrolle.
- 2Sie sind nicht in der Lage, die Gefühle anderer Menschen zu verstehen, nachzuvollziehen oder darauf Rücksicht zu nehmen (= fehlende Empathie-Fähigkeit)
Auch hier hängt die Ausprägung wiederum vom Schweregrad der Störung ab.
Eigenes Beispiel
Mein Sohn gehört zur Sorte „extreme Emotionen“, die er nur schwer kontrollieren kann. Er empfindet nach meiner Interpretation 3 Gefühle: Freude, Trauer und Wut. Sämtliche anderen Abstufungen von Emotionen gliedern sich dort ein.
Das heißt, dass er beispielsweise schon als Baby entweder aus voller Kraft brüllte oder eben nicht. Zwischenphasen wie Schmollen, Wimmern, leichtes Weinen etc. gab es nicht. Auch wechselten die Gefühle von einer Sekunde auf die andere. Er lag entspannt da, im nächsten Moment schrie er aus Leibeskräften. War seine Welt wieder in Ordnung, wechselte seine Stimmung genauso abrupt zurück.
Auch später blieb das so. Die Ausdrucksweise „himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt“ (alternativ „rasend vor Wut“) beschreibt es ziemlich treffend.
Diese extrem stark empfundenen Gefühle zeigen sich auch darin, dass Autisten oft sehr empfindlich auf Geräusche, Gerüche, Geschmack, Schmerzen, Berührungen etc. reagieren. So werden viele autistische Kinder gleichzeitig als hochsensible Kinder eingestuft. Allerdings reagieren sie nicht immer gleich auf ähnliche Reize – während das Ticken einer Uhr als unerträglich empfunden werden kann, stört gleichzeitig der Fernseher auf voller Lautstärke überhaupt nicht.
Allen Autisten gemein ist die fehlende Empathie. Dadurch wird ihnen oft unterstellt, sie wären egoistisch, rücksichtslos oder schlimmeres. Doch die Wahrheit ist: Sie KÖNNEN es einfach nicht. Jedoch führt das häufig zu Mobbing in der Schule.
Sie erkennen z.B. weder anhand Mimik und Gestik noch an Sprache und Tonfall, welches Gefühl ihr Gegenüber gerade hat. Mit der Zeit lernen sie, z.B. Lachen als Freude und Weinen als Trauer zu deuten, doch schon wenn jemand vor Freude weint, sind sie hochgradig verwirrt.
Darüber hinaus projizieren Autisten ihre eigenen Gefühle auf das gesamte Umfeld. So kommt es vor, dass z.B. sämtliche Familienmitglieder am Frühstückstisch von dem autistischen Kind angeschrien werden, nur weil es sich gerade die Zunge am Kakao verbrannt hat. Dabei ruhig und verständnisvoll zu bleiben, ist zugegebenermaßen eine Herausforderung!
4. Verhaltensauffälligkeiten
Autistische Kinder verhalten sich oftmals anders als andere Kinder. Je stärker die Ausprägung der Störung, desto auffälliger wird das. So zeigen Kinder mit frühkindlichem Autismus oft stereotypes Verhalten (endloses Wiederholen bestimmter Handlungen). Auch Tics und Zwangshandlungen können vorkommen. Manche Kinder neigen sogar zu Selbstverletzung, indem sie sich beispielsweise selbst blutig beißen oder kratzen.
Bei leichteren Formen fällt auf, dass die Kinder zum Teil ungewöhnliche Interessen haben oder sich für ein „normales“ Thema ungewöhnlich intensiv interessieren. Sie hatte mein Sohn z.B. seine Dinosaurierphase, die dazu führte, dass er mit 4 Jahren ca. 300 Dinosaurierarten mit Namen sowie Bestimmungsmerkmalen auswendig kannte.
Das Spielverhalten autistischer Kinder ist ebenfalls auffällig. Sie bevorzugen in der Regel alles, was man alleine spielen kann. Rollen- und Fantasiespiele kommen eher nicht vor. Oft ist ihr Spielverhalten eher „wissenschaftlich“ – sie interessieren sich meistens mehr für einzelne Details oder Zahlen und Fakten (siehe Dinosaurierbeispiel).
Weiterhin typisch für Autisten ist das Festhalten an Gewohnheiten und Routinen. Auch dies steigert sich oft bis zum Fanatismus und ein Abweichen davon führt nicht selten zu Wutanfällen oder totaler Verzweiflung. Dies kann sehr extreme Ausmaße annehmen. So bekam mein Sohn beispielweise regelmäßig Tobsuchtsanfälle, wenn die Käsescheibe zu schmal war und nicht exakt auf den Toast passte.
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5. Sprachliche Besonderheiten
Gehirn-Scans von Autisten zeigen Auffälligkeiten in den Bereichen, die für die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten zuständig sind. So verwundert es nicht, dass autistische Kinder sprachliche Besonderheiten aufweisen. Diese zeigen sich natürlich erst mit zunehmendem Alter.
So sind Kinder mit frühkindlichem Autismus in der Regel in ihrer Sprachentwicklung verzögert, sprechen gar nicht oder zeigen deutliche Auffälligkeiten. Sie wiederholen z.B. einzelne Wörter oder Sätze immer und immer wieder (Echolalie). Mitunter ist es schwierig bis unmöglich, mit ihnen eine normale Unterhaltung zu führen.
Bei den leichteren Autismus-Formen fällt auf, dass oft ungewöhnliche Wörter oder eigene Wort- und Satzkreationen verwendet werden. Auch wirkt die Sprache autistischer Kinder oft sehr „gewählt“, steif oder fast schon wissenschaftlich. Gleichzeitig ecken sie dann wieder mit unpassenden Äußerungen wie Schimpfwörtern oder ähnlichem an. Ein autistisches Kind versteht nicht, weshalb Gleichaltrige über ein Schimpfwort lachen, während sich Eltern und Erzieher darüber aufregen!
Sehr auffällig und allen Autisten gemeinsam ist, dass sie Witze, Ironie und Metaphern nicht verstehen und ALLES wörtlich nehmen. Das führt regelmäßig zu Missverständnissen.
Eigenes Beispiel
Mein Sohn war in der 3. Klasse und schaute zu Hause eine Kinderserie. Darin sagte ein Junge zu seinem Freund: „Ich muss jetzt nach Hause. Meine Mutter bringt mich um, wenn ich schon wieder zu spät komme.“
Mein Sohn fragte mich völlig entsetzt, weshalb die Mutter ihren Sohn umbringen würde, nur weil er zu spät kommt. Ich erklärte ihm, dass es nur eine Redensart ist um auszudrücken, dass sie dann sehr sauer auf ihn wäre.
Als sich mein Sohn einige Tage später in der Schule über seine Lehrerin ärgerte, warf er ihr an den Kopf, er würde sie umbringen. Ich wurde zur Aussprache geladen und musste erklären, weshalb er so etwas äußert…
Wie du siehst, zeigen Autisten relativ viele Auffälligkeiten, auch wenn sie mal mehr und mal weniger deutlich auftreten.
Grundsätzlich gilt: Solltest du eines oder mehrere dieser Anzeichen bei deinem Kind beobachten, besteht zumindest der Verdacht auf Autismus …
Ich glaube, mein Kind ist autistisch – was nun?
Hast du den Verdacht, dass dein Baby oder (Klein-) Kind autistische Züge haben könnte, lass es unbedingt abklären. Bestätigt sich deine Vermutung nicht, ist das immer noch besser als ein unerkannter Autismus. Denn je eher dein Kind die passende Unterstützung (und vor allem Verständnis) bekommt, desto besser sind die Entwicklungsprognosen.
Sprich zunächst mit dem Kinderarzt über deine Vermutung. Er wird dich zu einem Kinderpsychologen überweisen. Ich rate, darauf zu achten, dass sich der Psychologe mit Autismus auskennt. Es gibt spezielle Autismuszentren, an die du dich wenden kannst. Grundsätzlich gilt:
Du kennst dein Kind am besten und wenn du den Verdacht hast, es könnte Autismus haben, geh der Sache auf den Grund!
Der Umgang mit einem autistischen Kind
Das Wichtigste, was du im Umgang mit Autisten beachten solltest, ist Verständnis zu haben für ihre Besonderheiten. Und gleichzeitig ist es auch das Schwierigste…
Im Gegensatz zu anderen Entwicklungsstörungen oder körperlichen Einschränkungen ist Autismus nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Besonders Asperger-Autisten mit normaler Intelligenz oder gar einer Hochbegabung werden häufig missverstanden. Es wird von ihnen erwartet, dass sie sich „normal“ benehmen, da man den Autismus nun mal nicht sehen kann.
Selbst als Mutter habe ich mich oft gefragt, warum mein Kind manche Dinge einfach nicht versteht. Mir hat es sehr geholfen, als ich in einer TV-Reportage die Aufnahmen von Gehirn-Scans von Autisten gesehen habe und dort tatsächlich Auffälligkeiten erkennbar waren. Zum ersten Mal war es für mich SICHTBAR, dass mein Sohn nichts dafür kann, dass er so ist, wie er ist.
Mach dir also immer wieder bewusst:
Dein autistisches Kind ist weder dumm noch schlecht erzogen. Es will dich nicht absichtlich ärgern. Es ist nicht egoistisch oder bösartig. Es ist ein wundervoller Mensch mit einem kleinen „Programmierfehler“ im Gehirn. Punkt.
8 bewährte Praxis-Tipps im Umgang mit Autisten
Diese 8 Praxis-Tipps aus meiner persönlichen Erfahrung helfen dir, wenn du Schwierigkeiten im Umgang mit deinem autistischen Kind hast:
1. Logische Regeln mit viel Freiraum
Autisten finden sich besser zurecht, wenn es klare Regeln und Strukturen gibt. Diese müssen allerdings verständlich sein und es muss sich IMMER daran gehalten werden. Gelten beispielweise für Geschwisterkinder andere Regeln, dann wird sich dein kleiner Autist sofort dagegen auflehnen. Auch eine EINZIGE Ausnahme kann dazu führen, dass dein Kind die Regel ab sofort nicht mehr anerkennt.
Darüber hinaus rate ich dazu, einem autistischen Kind so viel Freiraum zu lassen wie möglich. Lass es sich mit den Dingen beschäftigen, mit denen es sich beschäftigen will. Lass es so viel wie möglich alleine entscheiden, sofern es dazu in der Lage ist. Und lass es lieber natürliche Konsequenzen spüren als es zu bestrafen (siehe Punkt 3).
2. Klare Kommunikation
Autistische Kinder benötigen eine sehr klare und deutliche Kommunikation. Sie verstehen keine Ironie, keine Sprichwörter oder Andeutungen. Sie nehmen ALLES wörtlich.
Achte daher sehr genau darauf, was du zu deinem Kind sagst. Es nimmt auch sehr schnell alles persönlich!
Gerade wenn es um Emotionen geht, ist Kommunikation extrem wichtig. Dein autistisches Kind erkennt nicht, ob du gerade traurig, müde, wütend, enttäuscht etc. bist. Selbst wenn du krank bist und deine Ruhe brauchst, kann das ein Autist nicht erkennen. Du musst es ihm erklären!
Je mehr du mit deinem autistischen Kind sprichst und ihm deine eigenen Gefühle erklärst, desto besser. Vor allem Asperger-Autisten lernen dadurch über den Verstand, die Emotionen anderer Menschen zu erkennen und zu verstehen. Außerdem förderst du dadurch auch die Sprachentwicklung deines Kindes.
3. Vergiss Belohnung und Strafe
Belohnen und bestrafen funktioniert bei Autisten in der Regel NICHT. Autisten verhalten sich immer aus ihrer eigenen Gefühlslage heraus. Sind sie z.B. wütend und schreien herum, dann wird sie die Androhung einer Strafe nur noch wütender machen. Den Gedankengang „wenn ich mich zusammenreiße, vermeide ich die Strafe“ können sie nicht umsetzen. Besser ist es, sie „austoben“ zu lassen und hinterher in Ruhe darüber zu sprechen.
Der Ansatz der bedürfnisorientierten Erziehung ist für Autisten daher meiner Erfahrung nach äußerst hilfreich. Wahrscheinlich merkst du sowieso recht schnell, dass die klassischen Erziehungsmethoden bei einem autistischen Kind nicht funktionieren.
Ein Autist freut sich über die Belohnung und ärgert sich über die Strafe – kann jedoch beides nicht mit dem eigenen Verhalten in Verbindung bringen!
4. Probier’s mal mit Gelassenheit
Wenn ich durch meinen Sohn etwas gelernt habe, dann ist es Gelassenheit! Und die Fähigkeit, mich seinen Besonderheiten anzupassen…
Wenn er ein und denselben Film zum 12. Mal mit mir anschauen wollte, hab ich es über mich ergehen lassen. Wenn er vor Wut auf einen Tisch eingeprügelt hat, weil er sich daran gestoßen hatte, hab ich nur seufzend zugeschaut. Wenn er monatelang jeden Tag Salamibrot essen wollte, hat er das bekommen. (Autisten haben oft sehr spezielle Ernährungsgewohnheiten.) Und so weiter…
Sehr oft wurde mir vorgeworfen, mein Kind wäre einfach nur verwöhnt. Vielleicht kennst du das auch. Lass dich davon nicht verunsichern. Du kennst dein Kind am besten und weißt, dass es besondere Eigenarten hat, die nichts mit deiner Erziehung zu tun haben.
5. Vorsicht bei Veränderungen
Autisten fällt es schwer, mit Veränderungen klarzukommen. Wenn gewohnte Abläufe unterbrochen werden, haben sie große Schwierigkeiten, das zu akzeptieren. Vor allem, wenn ihre eigenen Rituale und Gewohnheiten gestört werden, reagieren sie oft mit extremen Wutanfällen.
Versuche daher, soweit es geht, Veränderungen zu vermeiden oder vorher rechtzeitig anzukündigen und vor allem zu erklären!
Stelle einen Autisten möglichst NIE vor vollendete Tatsachen.
Und das betrifft auch Kleinigkeiten. Wenn es die einzige Käsesorte nicht gab, die dein Kind isst, leg ihm nicht einfach eine andere Sorte aufs Brot in der Hoffnung, er/sie wird es nicht merken. Der Wutanfall ist vorprogrammiert!
6. In die Gefühlswelt eintauchen
Versuche immer wieder, die Gefühlswelt deines Kindes zu verstehen. Warum ist es gerade wütend? Warum ist es traurig? Akzeptiere diese Gefühle, auch wenn du es vielleicht nicht nachvollziehen kannst. Sätze wie „Das ist doch nicht so schlimm!“ frustrieren dein Kind. Für ihn/sie ist es schlimm!
Und mach dir immer wieder klar, dass dein Kind die Gefühle anderer nicht verstehen KANN. Es ist nicht egoistisch! Es kann einfach nicht anders. Es kann keine Rücksicht nehmen auf die Gefühle anderer, weil es diese gar nicht wahrnimmt. Daher kann es auch sein Verhalten nicht dementsprechend anpassen.
7. Entspannung ist das A und O
Einer der aus meiner Sicht wichtigsten Punkte: Entspanne dich! Tu alles, um selbst ruhig und entspannt zu sein, denn deine Stimmung überträgt sich grundsätzlich sehr schnell auf dein autistisches Kind.
Mein Sohn kam mir manchmal vor wie ein Spiegel, der mir meine eigene Laune in zehnfacher Verstärkung zurückgespiegelt hat. War ich leicht angespannt, tobte mein Kind vor Wut. War ich gestresst, riss auch ihm bei jeder Kleinigkeit der Geduldsfaden.
Je ruhiger und entspannter ich war, desto besser schien auch mein Sohn mit allen Herausforderungen des Lebens klarzukommen.
Es lohnt sich also sehr, wenn du besonders gut auf DICH achtest!
8. Hol dir Unterstützung
Eine professionelle therapeutische Begleitung kann euch vieles erleichtern. Zum einen bekommt dein Kind die Unterstützung, die es braucht – gleiches gilt jedoch auch für Eltern und Angehörige!
Ich habe selbst erlebt, wie wichtig es ist, auf Verständnis zu stoßen. Auch wenn Autismus heutzutage relativ bekannt ist, gibt es dennoch tausende Missverständnisse. Immer wieder wird man als Elternteil mit Vorwürfen konfrontiert, man hätte sein Kind schlecht erzogen. Selbst Lehrer und Erzieher sind davon nicht ausgenommen.
Man plagt sich mit Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen, dass man in der Erziehung etwas falsch gemacht hat. Vergleicht man dann noch das eigene Kind mit anderen, „normalen“ Kindern, ist das ausgesprochen frustrierend.
Jemand, der dir dann sagt: „Dein Kind ist ein völlig normaler Autist! Sein Verhalten ist absolut typisch.“ ist Gold wert und unglaublich erleichternd.
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So, damit habe ich dir meine wichtigsten Tipps und Informationen weitergegeben, damit du eine Autismus-Spektrums-Störung bei deinem Kind erkennen kannst und weißt, wie du damit umgehen kannst.
Wenn du dich noch intensiver mit dem Thema beschäftigen möchtest, habe ich im Folgenden noch ein paar zusätzliche Informationen für dich:
Wie wird Autismus bei Kleinkindern diagnostiziert?
Die Diagnose von Autismus ist nicht einfach, vor allem bei kleineren Kindern. Vor dem 18. Monat werden daher gerade die leichteren Formen selten erkannt. Das Asperger-Syndrom zeigt sich zudem meistens erst ab dem 3. Lebensjahr, wird oftmals aber auch erst im Erwachsenenalter festgestellt.
Ab dem 2. Lebensjahr gibt es verschiedene Testmöglichkeiten, z.B. die Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen (ADOS) und das Diagnostisches Interview für Autismus“(ADIR) sowie IQ-Tests.
Als Maßstab für den Schweregrad dient der Autismus-Spektrum-Quotient (AQ).
Die 3 häufigsten Formen von Autismus
1. Frühkindlicher Autismus (auch Kanner-Autismus)
Der frühkindliche Autismus ist die schwerste Form. Meistens wird er daher auch schon vor dem 3. Lebensjahr erkannt.
Die betroffenen Kinder leiden häufig unter eingeschränkter Intelligenz. Etwa 70% der Betroffenen sind geistig behindert.
Ihre Sprachentwicklung ist deutlich gestört oder sie sprechen gar nicht. Auch alle anderen Auffälligkeiten zeigen sich bei ihnen deutlicher, z.B. stereotypes Verhalten oder extreme Gefühlsausbrüche bzw. Teilnahmslosigkeit.
2. Das Asperger-Syndrom
Asperger-Autisten sind oftmals normal intelligent oder sogar hochbegabt. Auch die sogenannte Inselbegabung tritt bei ihnen häufiger auf. Dadurch fällt die autistische Störung erst später auf, manchmal erst im Erwachsenenalter.
Viele Auffälligkeiten werden auch fehlinterpretiert, z.B. als Hochsensibilität, ADHS oder einfach als „schlecht erzogen“. Daher ist eine korrekte Diagnose für Asperger-Kinder besonders wichtig, damit sie die entsprechende Unterstützung und das Verständnis erhalten.
3. Atypischer Autismus (High functional Autismus)
Als atypischer Autismus bezeichnet man alle Formen von Autismus, die von den üblichen Varianten abweichen. So spricht man beispielsweise bei einem Kind mit frühkindlichem Autismus bei normaler Intelligenz oder Inselbegabung von „High functional Autismus“.
Therapiemethoden
Je nach Ausprägung und Schweregrad erhalten autistische Kinder in erster Linie Unterstützung in Form von Verhaltenstherapie. Eine Behandlung mit Medikamenten bringt generell wenig und wird daher in der Regel nur für die begleitenden Störungen eingesetzt, wie
Hier ist zu beachten, dass Autisten oft sehr stark auf Medikamente und Nebenwirkungen reagieren, daher muss die Dosierung ggf. angepasst werden.
Ziel der Verhaltenstherapien ist es, die vorhandenen Fähigkeiten zu stärken und zu entwickeln, z.B. die Wahrnehmung zu schulen und den Umgang mit den eigenen Gefühlen zu lernen. Auch das Verständnis für die Gefühle anderer Menschen kann trainiert werden.
Bei Kindern mit sprachlichen Defiziten werden insbesondere die kommunikativen Fähigkeiten trainiert und verbessert.
Ein häufig genutzter Ansatz ist hier TEACCH – ein Konzept speziell zur Unterstützung und Förderung von Menschen mit Autismus.
Ziel aller Maßnahmen ist es, dem Kind zu mehr Selbstständigkeit, gestärktem Selbstbewusstsein und einem angemessenen Sozialverhalten zu verhelfen. Kommunikation sowie Empathie werden geschult sowie die Fähigkeit, soziale Kontakte zu knüpfen. Nicht zuletzt lernt das Kind, sich selbst besser zu verstehen und das eigene Verhalten zu reflektieren.
Bedingungslose Liebe
Zum Abschluss möchte ich dir noch eine ganz persönliche Geschichte wiedergeben:
Mein Sohn bekam seine Diagnose, als er bereits 10 Jahre alt war und schon sehr viele familiäre und schulische Tiefphasen hinter sich hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er einen Schulfreund, mit dem er sich sehr gut verstand. Ich hörte, wie er diesem im Kinderzimmer erklärte, dass er das Asperger-Syndrom hat und was das bedeutet.
Die Antwort seines Freundes darauf lautete: „Mir ist egal, was du hast. Ich mag dich so, wie du bist.“
Mit feuchten Augen beschloss ich, diese Einstellung zu meinem Lebensinhalt zu machen!
Zusammenfassung
Wie du gesehen hast, ist Autismus bei Kindern ein sehr umfangreiches Thema. Diese kurze Zusammenfassung soll es dir erleichtern, die wichtigsten Fakten zum Autismus im Gedächtnis zu behalten:
- Autismus ist keine Krankheit, sondern eine Entwicklungsstörung.
- Autismus ist nicht heilbar.
- Autismus bei Kindern äußert sich in sprachlichen, sozialen, und emotionalen Auffälligkeiten sowie in der Interaktion mit anderen Menschen und im Verhalten.
- Autistische Kinder haben häufig heftige Emotionen und verstehen keine Redewendungen bzw. "Bildsprache".
- Das Wichtigste, was du im Umgang mit Autisten beachten solltest, ist Verständnis zu haben für ihre Besonderheiten.
Falls du noch weitere Fragen hast, schau doch noch in unserem kleinen FAQ nach – hier habe ich die am häufigsten gestellten Fragen in Bezug auf Autismus bei Kindern für dich beantwortet:
Häufig gestellte Fragen
Autistische Kinder zeigen Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung, Interaktion, im Verhalten, den Gefühlen und im sozialen Bereich:
Bei leichten Formen von Autismus sind die genannten Auffälligkeiten weniger stark ausgeprägt. Zum Beispiel empfinden Kinder mit leichtem Autismus Blickkontakt als unangenehm, aber weichen ihm nicht permanent aus. Sie verwenden ungewöhnliche Wortkreationen, aber ihre Sprachentwicklung ist nicht gestört. Sie spielen lieber allein, aber sind nicht aktiv abweisend.
Meistens werden leichtere Formen von Autismus erst innerhalb der ersten Lebensjahre bemerkt.
Autisten haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu kontrollieren, soziale Kontakte zu knüpfen und sich in andere Menschen hineinzuversetzen (Empathievermögen). Sie empfinden Körperkontakt und Blickkontakt häufig als unangenehm und nehmen ALLES wörtlich – das heißt, sie verstehen keine Redewendungen oder bildliche Sprache.
Die Prognose für autistische Kinder richtet sich natürlich ebenfalls nach dem Schweregrad der Störung. So werden Kinder mit frühkindlichem Autismus in den meisten Fällen ihr Leben lang Unterstützung benötigen, während Asperger-Autisten durchaus ein selbstständiges und „normales“ Leben führen können.
Insbesondere im Bereich der sozialen Kontakte bleiben die Schwierigkeiten auch bei älteren Kindern und Erwachsenen bestehen. Sind die Betroffenen von sich aus nicht an Kontakten interessiert, bleiben sie zeitlebens Einzelgänger. Wünschen sie sich hingegen Freundschaften, fällt es ihnen aufgrund ihrer anderen Defizite (sprachlich, emotional etc.) oft schwer, was sich jedoch sehr gut durch gezieltes Verhaltenstraining verbessern lässt.
In der Regel werden Autisten jedoch ihr Leben lang eher wenige, ausgewählte Freunde haben und nicht die Partymenschen sein.
Hinsichtlich der beruflichen und familiären Aussichten lässt sich ebenfalls keine allgemein gültige Aussage treffen. Auch hier richtet sich alles nach dem individuellen Schweregrad. Doch gerade Asperger-Autisten sind durchaus in der Lage, ein eigenständiges Leben zu führen, einem normalen Beruf nachzugehen und eine Familie zu gründen.
Hinsichtlich des Verhaltens und der Empathie kann man sagen, dass sich in den meisten Fällen mit zunehmendem Alter eine Verbesserung zeigt. Die Autisten lernen nach und nach, die eigenen Gefühle sowie die Gefühle anderer zu erkennen und einzuordnen.