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14 Tipps & Tricks, wenn sich dein Kind nicht anziehen will

Jedes Mal das gleiche Drama: Dein Kind will sich nicht anziehen!

Es weint, schreit, bockt oder wehrt sich so heftig, als würdest du es in kochendes Wasser tauchen wollen. Dabei soll es doch bloß die Hose, das Kleid oder die Jacke anziehen...

Oder es trödelt ewig herum und treibt dich damit in den Wahnsinn. Gerade morgens bist du dann total genervt, denn die Zeit sitzt dir im Nacken. Doch je mehr du auf dein Kind einredest oder schimpfst, desto schlimmer wird es.

Du fragst dich, was du tun kannst, damit sich dein Kind zukünftig ohne Theater anzieht?

Ich verrate es dir! In diesem Artikel bekommst du 14 praktische Tipps, mit denen sich dein Kind in Zukunft viel entspannter anziehen (lassen) wird...

Kind will sich nicht anziehen

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Erzfeind Kleidung - Warum sich Kinder nicht anziehen wollen

Zunächst mal kann ich dich beruhigen: Das Verhalten deines Kindes ist vollkommen normal.

Alle Eltern haben phasenweise damit zu kämpfen, dass sich ihr Kind nicht anziehen (lassen) will oder dabei ewig herumtrödelt. Doch warum ist das eigentlich so?

Nun, das hat mehrere Ursachen:

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    Entwicklung der Selbstständigkeit: Etwa ab dem 2. Lebensjahr entwickelt dein Kind mehr und mehr Selbstständigkeit. Es möchte alles alleine machen, kann es aber mitunter noch nicht. Gerade beim Anziehen hat es noch Schwierigkeiten. Dauert es den Eltern dann zu lange und sie wollen das Kind „schnell in die Sachen stopfen“, ist Theater vorprogrammiert.
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    Mehr Selbstbestimmung bitte. Auch der Wunsch nach Selbstbestimmung wird ab dem 2. Lebensjahr immer stärker. Dein Kind möchte selbst entscheiden, wann und was es anzieht – leider passt das nicht immer mit deinen Vorstellungen überein.
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    Zu viel Stress. Auch Kinder leiden schon unter Stress. Gerade morgens, wenn sie pünktlich aufstehen und rechtzeitig fertig werden sollen. Da bleibt oft keine Zeit zum Kuscheln, Spielen oder Vor-sich-hin-Träumen, was für Kinder jedoch sehr wichtig ist. Beim Thema Anziehen entlädt sich dann der Frust. Es ist ihre persönliche Form, uns zu sagen: „Mir reicht’s! Ich brauche mehr Zeit!“
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    Wunsch nach Nähe und Aufmerksamkeit. Dein Kind kann sich eigentlich schon sehr gut alleine anziehen, macht es aber nicht? Stattdessen musst du ihm in die Sachen helfen wie einem Kleinkind? Dann möchte es vielleicht einfach nur deine Nähe genießen. Gerade morgens nutzen viele Kinder das Anziehen, um sich nochmal eine extra Portion Körperkontakt bei Mama oder Papa zu holen.
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    Fehlendes Verständnis. Sehr oft verstehen Kinder einfach nicht, warum sie sich plötzlich warm anziehen sollen. Stell dir vor, du sitzt im warmen Wohnzimmer und plötzlich hält dir jemand Jacke, Mütze, Schal und Handschuhe hin und möchte, dass du das anziehst. Dass es draußen kalt ist – und was das bedeutet – lernen Kinder erst mit zunehmendem Alter.
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    Einfach doof. Und zu guter Letzt ist Anziehen manchmal einfach nervig. Da klemmt der Ärmel, die Hose kneift irgendwo, der Schal kratzt ein bisschen und gerade im Winter wird die Bewegungsfreiheit durch die vielen Sachen eingeschränkt. Wird das Kind dann noch – vielleicht ein bisschen unwirsch – von Mama oder Papa „eingepackt“, ist das alles andere als angenehm. Lass dich mal von deinem Partner anziehen, dann weißt du, was ich meine! 😉

Wie du siehst, gibt’s viele Gründe, warum sich Kinder nicht anziehen lassen wollen oder Theater machen, wenn sie sich selbst anziehen sollen. Besonders in der Trotz- bzw. Autonomiephase ist das wie gesagt ganz normal. Oder auch wenn dein Kind abends nicht einschlafen kann und in der Früh müde ist, ist der Morgen oft doppelt so "blöd"! 

ABER: Damit das Anziehen nicht jedes Mal im Drama und im Wutanfall endet, verrate ich dir jetzt einige Tricks und Tipps, die du auf jeden Fall mal ausprobieren solltest:

14 Tipps & Tricks, wenn sich dein Kind nicht anziehen will

Hier hab ich eine ganze Menge Anzieh-Tipps für dich und dein Kind zusammengestellt. Keine Angst – du musst nicht von heute auf morgen alles beachten, was ich dir hier mitgebe.

Sieh es eher als Anregung und probiere einfach mal verschiedene Punkte aus. Dann merkst du am besten, was deinem Kind hilft, sich gelassener anzuziehen oder anziehen zu lassen.

1. Jetzt mach mal langsam

Kind weint und will sich nicht anziehen

Der größte Feind des Anziehens ist Zeitdruck!

Du kennst das sicher – je eiliger du es hast, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dein Kind das Anziehen verweigert. Deswegen sind Kinder auch besonders morgens oft bockig, weinen oder trödeln, wenn sie sich anziehen sollen.

Dazu kommt, dass du mit Ruhe und Geduld viel mehr erreichst als mit Druck und Hektik. Je mehr du drängelst, ermahnst oder schimpfst, desto mehr geht dein Kind in den Widerstand.

Das macht es nicht mit Absicht! Es fühlt sich schlicht überfordert und gestresst und hat keine andere Möglichkeit, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Außerdem haben Kinder noch kein Zeitempfinden und verstehen nicht, warum es so wichtig ist, punkt 7 in der Kita zu sein...

Die Lösung lautet also: Plane mehr Zeit ein!

Und ich weiß, dass das gerade morgens schwierig ist, wenn du zur Arbeit musst und dein Kind in die Kita oder Schule. Aber überleg mal, wie viel Zeit ihr mit dem Anzieh-Drama verbraucht, da könnt ihr genauso gut auch 15 oder 30 Minuten eher aufstehen.

Gönne deinem Kind also ausreichend Zeit zum Wach-Werden, Kuscheln und Trödeln. Nimm dir auch selbst die Zeit, für dein Kind da zu sein, anstatt es von einem To-do zum nächsten zu „kommandieren“. Auch weißt du nie "mit welchem Fuß" dein Kind aufsteht. Es kann gut gelaunt, total aktiv, aber auch übermüdet, angespannt, traurig, etc. sein.

2. Bitte keine Überraschungen

Kinder werden auch oft völlig damit überrumpelt, dass sie sich anziehen sollen. Eben waren sie noch total im Spiel versunken und plötzlich heißt es: „Los, zieh dich an, wir müssen los!“ (Und ja, du hast das bestimmt vorher schon dreimal gesagt, nur dein Kind hört nicht, weil es dich gar nicht wahrgenommen hat!)

Achte also bitte darauf, dass du das Anziehen rechtzeitig ankündigst und dein Kind es auch wirklich registriert. Oft hilft es auch, dem spielenden Kind einfach die Sachen in Sichtweite zu legen, die es gleich anziehen soll. So kann es sich schon mal darauf einstellen, was als Nächstes passiert.

Gib ihm dann ausreichend Zeit, sich von seiner aktuellen Tätigkeit zu lösen, das fällt vielen Kindern schwer (siehe auch Tipp 2 des Artikels: Trödeln adé: Die 9 besten Anti-Trödel-Tipps für Kinder

Hilfreich ist auch die Ankündigung, was der jeweils nächste Schritt ist. Also zum Beispiel: „Wir putzen jetzt deine Zähne und danach ziehst du deine Sachen an.“ Oder: „Wenn du fertig bist mit frühstücken, gehen wir raus. Dazu ziehst du Jacke und Mütze an.“ So kann sich dein Kind mental darauf einstellen.

3. Kleidermännchen & Co.

Kleidermännchen wenn sich Kind nicht anziehen will

Eine weitere Möglichkeit, den morgendlichen Stress zu reduzieren, lautet: Vorbereitung!

Lass dein Kind schon am Abend aussuchen, was es am nächsten Tag anziehen möchte. So muss es das nicht unter Zeitdruck entscheiden.

Zieht sich dein Kind schon alleine an, könnt ihr das „Kleidermännchen“, die "Anziehstraße" oder den „Kleiderparcour“ ausprobieren. So macht das Anziehen vielen Kindern Spaß.

Beim "Kleidermännchen" werden die unterschiedlichen Kleidungsstücke aufeinandergelegt, wie am Bild gezeichnet. Bei der "Anziehstraße" legst du die Sachen wie eine Straße vom Bett bis zur Toilette oder Bad auf dem Fußboden aus. Zuerst die Unterhose, ein Schritt weiter das Unterhemd, etc.  Oder verteile beim "Kleiderparcour" die Klamotten auf unterschiedliche Höhen und Orte. Durch das Herumflitzen kommt gleich der Kreislauf in Schwung und die Müdigkeit verschwindet. 

Hinweis:

Manche Kinder wollen dann morgens partout nicht das anziehen, was sie sich abends ausgesucht haben. Akzeptiere das einfach und mach kein Drama draus. Wir haben ja selbst manchmal abends Lust auf das sexy Kleid und am nächsten Morgen fühlen wir uns eher nach „Schlabberpulli“.

Sollte dein Kind sich grundsätzlich morgens nochmal umentscheiden, plane lieber die Zeit dafür ein und spare dir das abendliche Herauslegen.

4. Übung macht den Meister

Ab dem 2. Lebensjahr, in der sogenannten Autonomiephase, wollen sich Kinder zunehmend alleine anziehen. Wenn das dann nicht so richtig klappt, ärgern sie sich und schon gibt’s Geschrei. Greifen die Eltern dann auch noch „helfend“ ein, um das Anziehen zu beschleunigen, ist das für Kinder erst recht frustrierend. Es blockiert, zeigt aggressives Verhalten oder bekommt einen "Trotzanfall".

Lass dein Kind das Anziehen also üben – am besten am Wochenende, wenn ihr genügend Zeit habt.

Zeige ihm ein paar Tricks, mit denen es leichter geht. Zum Beispiel finden Kinder viel schneller in die Ärmel der Jacke, wenn sie zuerst die Kapuze aufsetzen. Mehr Ideen findest du dazu auch in meinem Artikel: "Autonomiephase: 9 Tipps für den Umgang mit deinem Kind".

Hat dein Kind grundsätzlich keinen Bock auf An- und Ausziehen, helfen Spiele wie „Feuerwehrmann“ oder „Modenschau“. Kinder lieben außerdem Kostüme und verkleiden sich gern.

Oder lass sie Mamas Sachen anziehen oder Papas Arbeitskittel – das macht den meisten Kindern riesigen Spaß und schon wird das „Anziehen“ spielerisch trainiert.

5. Hey, lass uns Spaß haben!

Was lieben Kinder? Richtig: Spielen, Spaß haben und die Nähe bzw. Aufmerksamkeit der Eltern.

Was hat das Anziehen damit zu tun? Meistens leider nicht viel. Aber das lässt sich ja zum Glück ändern:

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    Schenke deinem Kind auch beim Anziehen Nähe und Aufmerksamkeit. Sei dabei, wenn es sich anzieht, anstatt aus der Küche zu rufen: „Bist du jetzt endlich angezogen?“ Auch wenn dein Kind bereits in der Wackelzahnpubertät ist und motorisch keine Schwierigkeiten mehr hat, biete ihm deine Unterstützung und Nähe an. Wichtig ist, dass du dein Kind immer wieder selbst probieren lässt, wenn es das möchte. Aber du kannst ihm die Sachen reichen, deine Hilfe anbieten oder einfach in der Nähe sein und dich mit ihm unterhalten. Gleichzeitig wird dadurch die Resilienz (Widerstandskraft) deines Kindes geübt! 
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    Mach fröhliche Musik an, damit macht das Anziehen gleich doppelt Spaß.
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    Erzähl deinen Kind nebenbei eine lustige Anzieh-Geschichte, z.B.: „Es war einmal ein kleiner Hase, dem war ganz furchtbar kalt. Da brachte ihm seine Freundin, die Maus, ein paar Sachen zum Anziehen. Er wusste gar nicht, was er damit machen sollte und steckte sich die Socken auf die Ohren. Hahaha, lachte die Maus. Dann zeigte sie dem Hasen, wie es richtig geht: Die Socken kommen auf die...? Füße! Danach kommt das...? Hemd.“ Und so weiter. Bald schon wird dein Kind begeistert mitmachen.
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    Es gibt auch tolle Kinderbücher zum Thema „Anziehen“. Schaut sie euch gemeinsam an und erinnere dann dein Kind daran, wenn es ans Anziehen geht.

Grundsätzlich gilt: Je mehr Spaß dein Kind beim Anziehen hat, desto unproblematischer ist das Thema. Und dabei dürft ihr auch mal albern sein und probieren, ob dein Kind die Hose falsch herum anziehen kann oder ob die Socken auch als Handschuhe funktionieren.

6. The easy way

Kind will sich nicht anziehen, Selbstständigkeit

Um dein Kind auf seinem Weg zur Selbstständigkeit zu unterstützen, mach es ihm leicht:

Achte auf Kleidung, die sich relativ leicht an- und ausziehen lässt. Stiefel und Klettverschlüsse sind einfacher als Schnürsenkel. Eine Hose mit Gummizugbund vermeidet den Kampf mit Knopf und Reißverschluss. Zu enge Kopflöcher oder generell sehr enge Kleidung sorgen für Frust, der sich vermeiden lässt. Schau auch gerne in meinem Artikel zur Autonomiephase rein. Dort findest du ebenso sehr wertvolle Tipps, wie du durch bestimmte Techniken das Anziehen für dein Kind leichter machst. 

Und mach dir keine Sorgen, dein Kind wird trotzdem irgendwann lernen, wie man eine Schleife bindet. Allerdings klappt das sowieso meistens erst im Alter von 5 bis 6 Jahren und bis dahin müsst ihr es euch doch nicht unnötig kompliziert machen.

Durch "einfache Kleidung" setzt du die Frustrationstoleranz nicht unnötig auf die Probe.

7. Ihh, das kratzt!

Nimm dein Kind ernst, wenn es sagt, dass der Schal kratzt oder die Hose kneift. Kinder sind diesbezüglich noch viel empfindsamer als wir Erwachsenen.

Manche Kinder mögen auch grundsätzlich bestimmte Stoffe nicht oder haben andere Vorlieben bzw. Abneigungen. Ich konnte es als Kind z.B. nicht leiden, wenn mir meine Mama das Hemd ganz glatt und gerade in die Unterhose geschoben hat. Dann lief nämlich der Hemdsaum mitten über meinen Popo und das hat mich wahnsinnig gemacht!

Besonders Kinder mit Hochsensibilität oder einer Form von Autismus reagieren extrem empfindlich auf alles, was ihren Körper betrifft.

Du machst euch beiden das Leben leichter, wenn du das einfach akzeptierst und die Befindlichkeiten deines Kindes beachtest.

8. Pyjama- und Prinzessintag

Pyjama- und Prinzessintag, wenn sich Kind nicht anziehen will

Unter der Woche muss es morgens meistens schnell gehen und dein Kind muss gewissermaßen „funktionieren“. Da hilft dann übrigens auch eine gewisse Routine – läuft jeder Morgen gleich ab, fällt es deinem Kind leichter, sich an Aufstehen – Anziehen – Frühstücken – usw. zu gewöhnen.

Zum Ausgleich darf es dann am Wochenende auch mal entspannt zugehen. Lass dein Kind den ganzen Tag im Schlafanzug bleiben, wenn es das möchte. Es darf auch das Faschingskostüm tragen oder in der Wohnung im Sommerkleidchen herumlaufen, obwohl Winter ist. Achte nur darauf, dass dein Kind versteht, warum das am Wochenende okay ist, in der Kita jedoch nicht.

 Meistens akzeptieren Kinder jedoch sehr gut, wenn du einfach sagst: „Heute ist Pyjama-Tag, morgen nicht.“

Dazu können eben auch grundsätzliche Regeln für Kinder hilfreich sein:

9. Es muss nicht immer perfekt sein

Spätestens ab der Autonomiephase wollen Kinder mehr und mehr selbst entscheiden – das betrifft natürlich auch die Wahl der Kleidung. Allerdings passt das nicht immer mit den elterlichen Vorstellungen überein.

Aber: Je gelassener du bleibst, umso besser.

Dein Kind trägt zwei verschiedene Socken? Wen stört’s? Es hat den Pullover verkehrt herum an? Statt es zu kritisieren, sag sowas wie: „Oh, das Bärchen ist heute hinten? Soll das so sein?“ Und wenn dein Kind darauf beharrt, dann bleibt das eben so. 

Deine Tochter möchte unbedingt das Prinzessinnenkleid anziehen? Was spricht dagegen? Mein Sohn ist jahrelang mit Cowboyhut in die Kita gegangen, das war irgendwann schon fast sein „Markenzeichen“. Interessant war: Kein anderes Kind hat sich jemals darüber lustig gemacht, nur die Erzieherinnen haben mich kritisch darauf angesprochen. Steh über solche typischen Mom-Shaming-Situationen. 

Je älter dein Kind wird, desto öfter solltest du es auch schon beim Kauf der Sachen mitentscheiden lassen. Besonders gut ist das auch für die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins bei deinem Kind. Du findest das Hasen-Shirt vielleicht total süß, dein Sohn aber nicht. Du kannst rosa-pink nicht leiden, deine Tochter steht aber total drauf.

Lassen wir unseren Kindern doch einfach mehr Freiraum für ihre persönliche Entfaltung!

10. Wer nicht hören will, darf fühlen

Wer nicht hören will, darf fühlen-Kind will sich nicht anziehen

Der häufigste Grund für Diskussionen ist vermutlich das Wetter. „Nein, du kannst nicht barfuß raus, es ist kalt. / Du musst eine Mütze aufsetzen, sonst wirst du krank.“ Alle Eltern kennen das...

Das Problem ist: Dein Kind weiß überhaupt nicht, was „kalt“ bedeutet. Es fühlt nur, dass ihm aktuell warm ist und versteht nicht, wieso es sich jetzt dick anziehen soll.

Statt nun stundenlang auf dein Kind einzureden, lass es einfach selbst spüren, wie es draußen ist:

  • geht zusammen auf den Balkon, auf die Terrasse oder öffne das Fenster
  • ideal ist auch ein kühler Flur oder eine Veranda, um deinem Kind dort die wärmeren Sachen anzuziehen
  • oder lass dein Kind so rausgehen, wie es das möchte und nimm Jacke, Mütze, Winterschuhe usw. mit.

Sobald dein Kind die Kälte selbst spürt, wird es viel eher verstehen, warum es eine dicke Jacke anziehen soll. Und von ein paar Minuten draußen wird es nicht gleich krank. Wichtig ist, dass du dann nicht mit Sprüchen kommst wie: „Siehst du, hab ich dir doch gleich gesagt!“

Denk immer daran, dass dich dein Kind nicht ärgern will. Und lass es dann bitte auf keinen Fall frieren nach dem Motto „Das hast du jetzt davon!“

11. Der Ton macht die Musik

Achte auch mal darauf, wie du mit deinem Kind sprichst – in welcher Tonlage, mit welchen Worten.

Wenn wir genervt und gestresst sind, hören unsere Kinder uns das auch an. Sie reagieren darauf besonders sensibel und werden umso schneller selbst maulig und trotzig oder gar aggressiv. Zudem verfallen wir dann gerne in Befehle, Vorwürfe, Verallgemeinerungen oder gar ins Schimpfen wie beispielsweise:

  • Jetzt zieh dich endlich an!
  • Bist du immer noch nicht fertig?
  • Wie lange dauert das denn heute wieder?
  • Kannst du dich jetzt mal beeilen?
  • Jeden Morgen das gleiche Theater mit dir!

Wie klingen diese Sätze für dich? Nicht besonders schön, oder? Gerne lassen wir uns dabei auch von anderen Menschen unter Druck setzen, wenn z. B. eine andere Mama von ihrem Kind schwärmt, wie toll es sich schon anziehen kann. Lass dich bitte nicht auf Mom Shaming ein!

Das soll natürlich kein Vorwurf sein. Eltern sind auch nur Menschen und niemand erwartet, dass du immer gelassen, geduldig und gut gelaunt bist. Vergiss nicht: Jedes Kind hat einen individuellen Entwicklungs-Rhythmus. Gerade mit Kindern klappt alles viel besser, wenn du möglichst locker und entspannt bleibst. Wie wär’s denn zum Beispiel mit diesen Sätzen:

  • Na, wie sieht’s aus? Hast du die Socken schon besiegt?
  • Bist du schon in deine Sachen geschlüpft?
  • Darf ich dir beim Anziehen helfen?
  • Huch, hier flitzt ja ein nacktes Würmchen rum. Lass es uns schnell fangen und warm einpacken!

Schau dir auch gerne mal die Grundsätze der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) an. Das erfordert natürlich etwas Übung und noch mehr Geduld, aber es lohnt sich. Dein Kind wird mit der Zeit viel kooperativer sein und ihr erspart euch jede Menge Drama.

Hinweis:

Ein Grundsatz der GfK lautet, dass du am Ende eine Bitte an dein Kind richtest und ihm die Wahl lässt, ob es dieser Bitte nachkommen möchte oder nicht. Das ist beim Anziehen meistens nicht möglich, denn du kannst ja schlecht im Büro anrufen und deinem Chef sagen: „Sorry, ich kann heute nicht kommen. Marie hat sich entschieden, im Schlafanzug zu Hause zu bleiben.“

Trotzdem kannst du die Ansätze der GfK nutzen. Das könnte dann zum Beispiel so klingen:

„Ich sehe, dass du noch nicht angezogen bist. Kann es sein, dass du noch ein bisschen mehr Zeit zum Spielen brauchst? Das versteh ich sehr gut, ich würde jetzt auch gerne mit dir spielen. Leider müssen wir bald los. Wenn du jetzt schnell in deine Sachen schlüpfst, können wir noch ein kleines Buch anschauen.“

12. Bedürfnisse statt Belohnung

Kind bekommt Belohnung für´s Anziehen

Viele Eltern nutzen besonders beim Thema Anziehen gerne ein Belohnungssystem. Ich rate davon ab!

Versuche lieber herauszufinden, welches Bedürfnis sich hinter dem Anzieh-Drama versteckt: Möchte dein Kind mehr Nähe und Aufmerksamkeit? Braucht es mehr Zeit zum Spielen und Träumen? Fühlt es sich zu Hause viel wohler als in der Kita / Schule? Wird es dort z. B. gehänselt oder gar gemobbt? Entwickelt es gerade mehr und mehr Selbstständigkeit und will allein entscheiden, wann und was es anzieht?

Versuche diese Bedürfnisse so gut es geht zu erfüllen.

Mit einem Belohnungssystem bekommt dein Kind nicht, was es eigentlich braucht. Im Gegenteil: Es lernt, dass es belohnt wird, wenn es „spurt“ und gegen seine Bedürfnisse handelt.

(Warum ich Belohnungssysteme generell kritisch sehe, erfährst du hier: Belohnungssystem für Kinder)

13. Hilfe anbieten, nicht aufzwingen

Sicher kennst du die Situation: Dein Kind versucht sich seit 20 Minuten alleine anzuziehen und immer wieder landet der Fuß im falschen Hosenbein oder die Socke verheddert sich in den Zehen. Irgendwann ist deine Geduld am Ende – du schnappst dir dein Kind und ziehst es an. Nicht selten gibt’s dann Tränen und Geschrei.

Auch wenn es schwerfällt: Sei kein Helikopter-Elternteil und versuche bitte, dein Kind nie gegen seinen Willen anzuziehen. Schon gar nicht mit Gewalt!

Sei bei ihm und biete deine Hilfe an. Frage: „Darf ich dir bei der Socke helfen?“ Und sobald alle Zehen drin sind, lass dein Kind wieder ran, z.B.: „So, schau mal, jetzt noch nach oben ziehen. Das schaffst du schon alleine, stimmt‘s?“

Kinder brauchen Erfolgserlebnisse und das Gefühl „Hey, ich hab das alleine hinbekommen!“ Ein bisschen Unterstützung nehmen sie dabei viel besser an, wenn du ihnen nicht den Eindruck vermittelst: „Das kannst du noch nicht!“

Gewaltfreie Kommunikation ist hier die Devise! 

14. Noch ein paar Tricks zum Schluss

Und zu guter Letzt hab ich noch ein paar kurze Tipps für dich in meiner Trickkiste:

  • Leg die Sachen im Winter morgens auf die Heizung. So kann dein Kind aus dem warmen Bett direkt in warme Klamotten schlüpfen. Oder du föhnst mit einem Haarföhn kurz in alle Ärmelchen hinein. 
  • Zieht euch gemeinsam an, Kinder lernen sehr viel durch Nachahmung.
  • Räume Sommer- und Wintersachen jeweils weg oder leg sie nach oben in den Schrank. So kommt dein Kind gar nicht erst auf die Idee, im Hochsommer den dicken Wollpullover anziehen zu wollen.
  • Vergleiche dein Kind nicht mit anderen, nach dem Motto: „Schau mal, der Lukas kann die Schuhe schon ganz alleine anziehen.“ Jedes Kind ist individuell und selbst Geschwister entwickeln sich oft unterschiedlich schnell. (Also fördere keinen unnötigen Geschwisterstreit)
  • Das Lieblingskleid ist plötzlich doof? Die geliebte Mütze von Oma auch? Hab Verständnis für dein Kind. Vielleicht hat sich jemand drüber lustig gemacht oder eine blöde Bemerkung fallen lassen. Kinder reagieren da mitunter sehr empfindlich, vor allem hochsensible Kinder.
  • Dein Kind weigert sich abends, den Schlafanzug anzuziehen? Was spricht dagegen, es in seinen Sachen oder der Unterwäsche schlafen zu lassen? Meistens merkt es dann selbst recht schnell, dass ein Schlafanzug viel bequemer und kuscheliger ist.
  • Dein Kind will unbedingt im Schlafanzug bleiben? Dann lass es doch einfach Hose und Pullover darüber anziehen. Pack die Unterwäsche ein und sag der Erzieherin in der Kita Bescheid, damit sie sich beim Mittagsschlaf nicht wundert.

Notfalls mit Gewalt?

Und wenn das alles nichts bringt? Trotz Geduld, lustiger Musik und gutem Zureden weigert sich dein Kind hartnäckig, sich anzuziehen?

Oft lesen oder hören wir den Ratschlag, das Kind im Schlafanzug in die Kita zu bringen, wenn es sich partout nicht anziehen will. Wenn es dort dann ausgelacht wird, macht es das vermutlich einmal und nie wieder.

Tu das deinem Kind bitte nicht an! Es bewusst dem Spott anderer Kinder auszusetzen, ist unfair und schadet eurem Vertrauensverhältnis. Als Erwachsener hast du letztendlich die Verantwortung, dein Kind zu schützen – auch davor, ausgelacht zu werden.

Auch die Drohung „Wenn du dich nicht anziehst, geh ich eben ohne dich los“ solltest du vermeiden. Es verunsichert Kinder, sie fühlen sich allein gelassen und im schlimmsten Fall bleibt dein Kind trotzdem einfach sitzen – dann müsstest du deine Drohung konsequent durchziehen, was nicht möglich ist.

Und zieh dein Kind bitte niemals gewaltsam an! Damit verletzt du sein Urvertrauen in dich und das belastet euer Eltern-Kind-Verhältnis nachhaltig.

Versuche es lieber mit der Gewaltfreien Kommunikation, was dir in der Situation wahrscheinlich am schwersten fällt: Ruhe, Verständnis und Liebe. Das ist nämlich genau das, was dein Kind jetzt braucht.

Vielleicht kennst du das Zitat von Helen Keller:

„Liebe mich dann am meisten, wenn ich es am wenigsten verdient habe, denn dann brauche ich es am nötigsten."

Es gibt kein Geheimrezept - oder doch?

Wie du siehst, gibt es leider nicht das EINE Geheimrezept, mit dem sich dein Kind ab sofort jederzeit problemlos anziehen wird. Aber es gibt jede Menge Möglichkeiten, wie du das ganze Thema für beide Seiten etwas entspannter gestalten kannst.

Letztendlich beruhen alle Tipps auf drei „Grundzutaten“ :

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    Verständnis – Je besser du dich in dein Kind hineinversetzen kannst und verstehst, warum es sich nicht anziehen (lassen) will, desto besser kannst du darauf eingehen.
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    Gelassenheit – Bleibst du selbst ruhig, entspannt und geduldig, wird auch dein Kind beim Anziehen viel weniger  Theater machen oder sich viel schneller wieder beruhigen lassen.
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    Liebe – Letztendlich wollen Kinder nur eines: Unsere Liebe... und sie sind grundsätzlich zur Kooperation bereit, wenn ihre Bedürfnisse beachtet und erfüllt werden (lies dazu auch gerne den Artikel: Bedürfnisorientierte Erziehung).

Sei daher auch du zur Kooperation bereit, selbst wenn das oft viel Geduld und Selbstbeherrschung erfordert. Die „Belohnung“ ist ein ruhigeres und entspannteres Miteinander – und das ist doch viel mehr wert als der tägliche Kampf ums Anziehen, oder?

P. S. Mithilfe von regelmäßigen Entspannungsübungen, wie der Progressiven Muskelentspannung, kannst du auch deinem Kind zu mehr Entspannung im Alltag verhelfen. Das kann das Anziehen am Morgen auch viel angenehmer gestalten:) 

Häufige Fragen zum Thema „Anziehen"

1. Warum wollen sich Kinder nicht anziehen?

Wenn sich Kinder nicht anziehen wollen, steckt meistens ein unerfülltes Bedürfnis dahinter. Das kann der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und Selbstständigkeit sein, nach mehr Aufmerksamkeit, mehr Nähe oder das Kind fühlt sich überfordert und braucht einfach mehr Zeit.

2. Was kann ich tun, wenn sich mein Kind nicht anziehen will?

Hab Geduld, bleibe ruhig. Schimpfen oder Druck machen bringt nichts, damit erreichst du eher das Gegenteil. Versuche herauszufinden, was dein Kind braucht bzw. wogegen es gerade im Widerstand ist. Je besser du das Bedürfnis deines Kindes verstehen und erfüllen kannst, desto kooperativer wird es auch beim Anziehen sein.

3. Warum weinen Kinder beim Anziehen?

Wenn Kinder beim Anziehen weinen oder schreien, ist das ein Hilferuf. Sie wollen uns damit sagen: „Stopp! Ich habe gerade ein Bedürfnis, das nicht erfüllt wird!“

 Das kann zum Beispiel das Bedürfnis nach mehr Zeit, mehr Verständnis, mehr Selbstständigkeit oder mehr Nähe sein.

4. Mein Baby schreit beim Anziehen, mach ich was falsch?

Babys schreien häufig beim Anziehen, weil sie noch nicht verstehen, was da mit ihnen passiert. Sie werden plötzlich von einer Situation in eine andere gebracht, ohne zu wissen, warum. Dazu kommt, dass das An- und Umziehen oft unangenehm ist – sei es der kalte Wickeltisch, auf dem man plötzlich liegt, oder das Rumgezerre an Armen und Beinchen. Am besten hilft es, dass du dein Baby nochmals hochnimmst und es beruhigst. Zeig deinem Baby wo du es hinlegst, erklär es ihm, was auf ihm zukommt und gehe sorgsam mit ihm um. Oft wollen wir das Anziehen rasch hinter uns bringen. Dein Baby braucht aber im Gegenteil langsame und achtsame Handgriffe und keine hektischen. 

5. Wann muss ein Kind sich anziehen können?

Etwa ab dem 2. Lebensjahr fangen Kinder an, sich selbst anzuziehen. Meistens beginnen sie mit den Socken oder der Hose. Mit ca. 3 Jahren sollten Kinder in der Lage sein, sich grundsätzlich alleine anzuziehen. Das Schließen von Knöpfen, Reißverschlüssen und Schnürsenkeln beherrschen Kinder allerdings erst mit 5 bis 6 Jahren.

6. Was fördert das Anziehen bei Kindern?

Sich alleine anzuziehen ist ein wichtiger Entwicklungsschritt für Kinder. Dabei fördert es nicht nur ihre Selbstständigkeit, sondern trainiert gleichzeitig die Feinmotorik, die Hand-Augen-Koordination sowie den Gleichgewichtssinn.

Zudem stärkt das Anziehen das Selbstbewusstsein von Kindern und verschafft ihnen wichtige Erfolgserlebnisse.

7. Wie lernt mein Kind sich anzuziehen?

Kinder beginnen in der Regel ganz von selbst, das Anziehen zu üben – meistens mit den Socken oder der Hose. Gib deinem Kind genügend Zeit, das Anziehen zu trainieren. Hilf ihm aber, wenn es dich darum bittet oder sich verweigert. Denn dann braucht es deine Nähe und Fürsorge. Achte auf Kleidung, die sich möglich leicht an- und ausziehen lässt.

8. Mein Kind verweigert grundsätzlich Kleidung

In diesem Fall würde ich dir raten, einen Kinderarzt oder -psychologen zu Rate zu ziehen. Hinter der Weigerung steckt vermutlich ein tieferliegendes Problem, ein Trauma oder eine neurologische Störung. Lass das auf jeden Fall abklären.