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Emmi Pikler Pädagogik: Vorteile, Auswirkungen & praktische Tipps

Emmi Pikler entwickelte ein besonderes pädagogisches Konzept zur frühen Kindheits-Erziehung. Ihr Ziel dabei war es, die freie Entwicklung des Kindes zu unterstützen und seine natürlichen Fähigkeiten dabei zu fördern.

Aber was macht die Pikler-Pädagogik aus und welchen Einfluss hat sie auf die Entwicklung deines Kindes?

In diesem Artikel wirst du nicht nur ihre grundlegenden Prinzipien kennenlernen. Du bekommst von mir auch praktische Tipps, wie du diese in deinem Alltag umsetzt und den vermeintlichen Nachteilen entgegenwirkst.

Bereit für eine neue Perspektive in der Kindererziehung?

Pikler Pädagogik Kind sitzt auf den Schultern von der Mama

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Emmi Piklers Pädagogik und ihr Bild vom Kind

Pikler Pädagogik Mutter schenkt ihrem Kind ganz viel Liebe

Emmi Pikler (1902-1984) war eine ungarische Kinderärztin und Pädagogin, die ihre eigene Erziehungsmethode entwickelte. Sie erreichte weltweite Anerkennung für ihre Erkenntnisse über die motorische, kognitive und soziale Entwicklung von Babys und Kleinkindern. 

Ihre Arbeit im Lóczy-Säuglingsheim in Budapest, wo sie als Ärztin und Leiterin tätig war, prägte ihren pädagogischen Ansatz. Sie bekam dadurch die Möglichkeit, ihre Theorien in die Praxis umzusetzen.

Emmi Piklers Bild vom Kind: Pikler sah das Kind als ein kompetentes und eigenständiges Wesen, das von Natur aus neugierig und lernbegierig ist. Sie glaubte fest daran, dass Kinder die Fähigkeit besitzen, sich selbst zu entwickeln. Laut Pikler ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Eltern die richtige Umgebung schaffen.

Sie beobachtete genau, wie Kinder lernen und wachsen und erkannte die Bedeutung von freier Bewegung, Spiel und Eigeninitiative für ihre Entwicklung.

Aus dieser Erkenntnis entstanden: Die drei Säulen der Pikler-Pädagogik

Piklers Pädagogik basiert auf drei Säulen, die sich gegenseitig ergänzen und eine ganzheitliche Entwicklung deines Kindes fördern:

1. Beziehungsvolle Pflege

  • Liebevolle und achtsame Zuwendung: Dein Kind spürt die Liebe und Aufmerksamkeit der Bezugspersonen und entwickelt ein gesundes Urvertrauen.
  • Sichere Bindung: Durch deine feinfühlige Kommunikation und Körperkontakt entsteht eine stabile Bindung, die deinem Kind Geborgenheit und Sicherheit bietet.
  • Bedürfnisorientierte Pflege: Die Bedürfnisse deines Kindes werden wahrgenommen und sensibel gestillt. Es lernt, seine Bedürfnisse zu äußern und auf die Bedürfnisse anderer einzugehen.

2. Autonome Bewegungsentwicklung

  • Freie Bewegung: Das Kind kann sich in seiner eigenen Geschwindigkeit und auf eigene Weise bewegen. So lernt es seinen Körper kennen und entwickelt motorische Fähigkeiten, Selbstvertrauen und Eigenständigkeit.
  • Eigenständiges Entdecken: Dein Kind darf seine Umwelt erkunden und eigene Erfahrungen machen. So lernt es die Welt zu verstehen und entwickelt eigene Problemlösungsstrategien.
  • Verzicht auf Hilfsmittel: Dein Kind wird nicht in seiner Bewegung eingeschränkt, z. B. durch Lauflernchen oder Hochstühle. So kann es seine motorischen Fähigkeiten optimal entwickeln.

3. Freies Spiel

  • Spiel ohne Vorgaben: Dein Kind kann frei spielen und seiner Fantasie freien Lauf lassen. So lernt es kreativ zu sein, Probleme zu lösen und soziale Kompetenzen zu entwickeln.
  • Spielzeugauswahl: Das Spielzeug sollte offen und anregend sein und die natürliche Neugier des Kindes fördern.
  • Mitbestimmung des Kindes: Das Kind darf bei der Wahl des Spiels und der Spielgestaltung mitbestimmen. So lernt es Selbstbestimmung und Selbstständigkeit.

Emmi Piklers drei Säulen der Pikler-Pädagogik bieten einen ganzheitlichen Ansatz, um die individuelle Entwicklung und Entfaltung deines Kindes auf natürliche Weise zu fördern.

Schauen wir uns im nächsten Abschnitt etwas genauer an, welche weiteren Vorteile und positiven Auswirkungen diese Art der Erziehung auf dein Kind hat.

Vorteile und Auswirkungen der Pikler-Pädagogik

Du hast bereits erfahren, wie die Pikler-Pädagogik aufgebaut ist und welche Grundlagen sie hat. Nun gehen wir etwas tiefer und ich zeige dir, was dieser Ansatz für dein Kind bedeutet.

Denn die Erziehung nach Emmi Pikler hat Auswirkungen auf die motorische, kognitive und soziale (emotionale) Entwicklung deines Kindes. Genau diese schauen wir uns jetzt an.

Auswirkungen auf die motorische Entwicklung

  • Förderung der Grob- und Feinmotorik: Kinder erkunden die Welt gerne und auf vielfältige Weise. Durch das freie Bewegen und Klettern auf Spielgeräten wie dem Pikler-Dreieck entwickeln sie ihre motorischen Fähigkeiten auf natürliche und spielerische Weise. Dies ist wichtig, weil die Grob- und Feinmotorik die Grundlage für alle weiteren motorischen Aktivitäten bildet, wie Laufen, Springen, Schreiben und Zeichnen.
  • Verbesserung der Körperwahrnehmung und Koordination: Durch das Klettern, Balancieren und Bewegen werden nicht nur Muskeln und Sehnen gestärkt, sondern auch die Fähigkeit entwickelt, den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen und zu kontrollieren. Auf deine Unterstützung dabei wird bewusst verzichtet. Du musst dein Kind nicht auf den Arm nehmen, um zu helfen und das Aufstehen nach dem Hinfallen schafft es auch alleine. Das stärkt nicht nur die physische Entwicklung, sondern trägt auch zur Entwicklung eines gesunden Körpergefühls bei.
  • Stärkung des Selbstvertrauens: Erfolgreiche Bewegungen und das Überwinden kleiner Herausforderungen beim Spielen auf dem Pikler-Dreieck oder anderen Geräten stärken das Selbstvertrauen der Kinder. Sie lernen, dass sie fähig sind, schwierige Situationen zu meistern, was einen positiven Einfluss auf ihr Selbstbewusstsein und ihre Fähigkeit hat, mit zukünftigen Herausforderungen umzugehen.

Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung

  • Förderung der Problemlösungskompetenzen: Dein Kind wird ermutigt, seine Umgebung zu erkunden und Herausforderungen selbstständig anzugehen. Dadurch lernt es, Probleme zu identifizieren und Lösungen zu finden, was eine wichtige Fähigkeit für sein zukünftiges Leben ist.
  • Steigerung der Kreativität und Fantasie: In der Pikler-Pädagogik gibt es keinen festgelegten Spielverlauf oder richtige Antworten. Dein Kind kann seiner Fantasie freien Lauf lassen und eigene Lösungen und Ideen entwickeln.  Du bestimmst zum Beispiel nicht, wie gemalt wird. Du lässt dein Kind frei malen ohne zu kommentieren “Das ist kein Haus, da fehlt…so schaut ein Haus aus…". Dadurch wird seine Kreativität gefördert, was bedeutet, dass es besser darin wird, neue und innovative Wege zu finden, um Probleme zu lösen und sich auszudrücken.
  • Effektivere Sprachentwicklung: Durch die Interaktion mit anderen Kindern und Erwachsenen wird die Sprachentwicklung deines Kindes aktiv gefördert. Indem es sich austauscht, zuhört und neue Wörter lernt, erweitert dein Kind seinen Wortschatz und verbessert seine Sprachkompetenz. Das hat nicht nur Einfluss auf den späteren schulischen Erfolg, sondern auch auf die effektive Kommunikation im täglichen Leben mit Lehrern, Freunden und zuhause.

Auswirkungen auf die soziale und emotionale Entwicklung

  • Mehr Selbstständigkeit und Eigeninitiative: In Piklers Ansatz wird dein Kind ermutigt, eigene Entscheidungen zu treffen und für seine Bedürfnisse einzustehen. Indem es lernt, selbstständig zu handeln und Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, entwickelt es ein starkes Gefühl der Selbstständigkeit und Eigeninitiative. Dies ist entscheidend für seine persönliche Entwicklung und dafür, dass es später unabhängig und selbstbewusst wird.
  • Stärkung des Selbstwertgefühls: Für Emmi Pikler wird jedes Kind für seine Bemühungen und Erfolge gelobt und bestärkt. Dieses positive Feedback stärkt das Selbstwertgefühl deines Kindes und gibt ihm das Vertrauen, dass es wertvoll und fähig ist. Ein gesundes Selbstwertgefühl ist die Grundlage für eine positive Selbstwahrnehmung und ein ausgeglichenes emotionales Wohlbefinden.
  • Förderung sozialer Kompetenzen: In der Pikler-Pädagogik lernt dein Kind, wie man respektvoll mit anderen umgeht, kommuniziert und kooperiert. Durch das gemeinsame Spiel und die Interaktion mit Gleichaltrigen lernt es, Empathie zu zeigen, Konflikte zu lösen und Beziehungen aufzubauen. Diese sozialen Kompetenzen sind entscheidend für erfolgreiche zwischenmenschliche Beziehungen.
  • Aufbau von sicheren Bindungen: In der Pikler-Pädagogik wird dein Kind in einer liebevollen und respektvollen Umgebung aufgezogen, die ihm Sicherheit und Geborgenheit bietet. Durch die enge Bindung zu seinen Bezugspersonen entwickelt es ein starkes Vertrauen und baut sichere Beziehungen auf. Diese sicheren Bindungen sind entscheidend für die emotionale Stabilität und das Wohlbefinden deines Kindes.

Darüber hinaus hat diese besondere Konzept auch positive Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden deines Kindes

  • Stärkung des Immunsystems: Durch regelmäßige Bewegung an der frischen Luft wird das Immunsystem deines Kindes gestärkt.
  • Verbesserung des Schlafes: Wenn dein Kind sich viel bewegt und sich auspowert, wird es abends auch besser und tiefer schlafen können.
  • Reduzierung von Stress: Die viele Bewegung und das freie Spielen tragen dazu bei, Stress abzubauen und die emotionale Gesundheit deines Kindes zu fördern.

Die Auswirkungen der Pikler-Pädagogik sind sowohl kurzfristig als auch langfristig spürbar. Du wirst schon bald ein größeres Vertrauen deines Kindes spüren und rüstest dein Kind für die Herausforderungen des Lebens aus

Kritik an der Pikler Pädagogik: Wie du Potenzielle Nachteile überwindest

Die Pikler-Pädagogik hat viele Befürworter gefunden und das zurecht. Doch es gibt auch einige Kritiker, die Bedenken haben und bestimmte Aspekte als Herausforderungen und Nachteile sehen. 

Diese Bedenken sollten jedoch nicht als unüberwindbar betrachtet werden, denn das sind sie nicht. Lass uns nun genauer betrachten, wie wir diesen Herausforderungen begegnen können.

Hier zeige ich dir die Kritik und entsprechende Lösungen, ohne dabei die Grundsätze der Pikler-Pädagogik aus den Augen zu verlieren.

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    Fehlende Struktur: Manche Leute sagen, dass die Pikler-Pädagogik zu wenig Struktur hat. Kinder brauchen klare Regeln, damit sie sich sicher fühlen können. In dieser Pädagogik könnten einige Kinder sich überfordert fühlen, weil sie selbst entscheiden müssen, was sie tun möchten. Schaffe eine Struktur, die deinem Kind Sicherheit gibt. Es geht nicht darum, feste Zeitpläne einzuhalten und alles richtig zu machen, sondern um die Bedürfnisse deines Kindes. Nur weil Emmi Pikler für die freie Entwicklung deines Kindes steht, braucht es trotzdem Regeln und Grenzen um sich zu orientieren und sicher zu fühlen.
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    Geringe Alltagsrelevanz: Oft wird die Pikler-Pädagogik in besonderen Einrichtungen und Kitas angewandt, die nicht dem normalen Alltag entsprechen. Manche denken, dass Kinder deshalb vielleicht Schwierigkeiten haben könnten, sich an die Regeln und Gewohnheiten des Alltags anzupassen. Emmi Pikler hat viele praktische Tipps gegeben, die dir dabei helfen, ihren Ansatz im Alltag umzusetzen. Bereits durch kleine Veränderungen und etwas Geduld im Alltag kannst du die Prinzipien der Pikler-Pädagogik erlebbar machen und deinem Kind helfen, sich besser zu entwickeln.
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    Überforderung der Eltern: Die Pikler-Pädagogik braucht viel Einsatz von den Eltern. Sie müssen ihre Kinder ständig beobachten und ihnen Raum zum freien Spielen und Entdecken geben. Das kann für manche Eltern ziemlich anstrengend sein, sowohl zeitlich als auch emotional.Es ist völlig normal, dass du manchmal das Gefühl hast, überfordert zu sein. Im Alltagsstress nebenbei noch die Geduld und Zeit für die Umsetzung zu finden ist nicht immer einfach. Aber die Pikler-Pädagogik muss nicht perfekt umgesetzt werden, um wirksam zu sein. Es geht vielmehr darum, kleine Schritte zu machen und auf die Bedürfnisse deines Kindes einzugehen. Vielleicht kannst du dir einen Moment der Ruhe gönnen, während dein Kind spielt. Oder such dir Unterstützung von Freunden oder Familie.
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    Gefahr der Vernachlässigung: Einige Kritiker denken, dass diese Methode und das Kind “sein zu lassen” nicht genug auf die Bedürfnisse des Kindes achtet. In manchen Fällen würden Kinder nicht genug gefördert oder sogar vernachlässigt, wenn sie nicht genug Anleitung und Unterstützung bekommen. Auch hier heißt selbstständige und freie Entwicklung nicht, dass du die Bedürfnisse und Gefühle deines Kindes ignorierst oder vernachlässigst. Ganz im Gegenteil. Emmi Piklers Ansatz betont die Bedeutung der achtsamen Beobachtung und einfühlsamen Reaktion auf die Bedürfnisse deines Kindes. Wenn du sensibel auf seine Signale achtest und reagierst, bekommt dein Kind auch die notwendige Unterstützung und Anleitung, die es braucht

Es ist wichtig zu verstehen, dass keine Erziehungsmethode perfekt ist - auch die Pikler-Pädagogik hat einige Kritikpunkte. Aber wenn du dich sensibel auf dein Kind einstellst, kannst du diese Bedenken überwinden. 

Konzentriere dich darauf, die Stärken und Bedürfnisse deines Kindes zu erkennen und schaffe eine Umgebung, die seine Entwicklung unterstützt. Ziel ist es, eine gute Balance zwischen Selbstbestimmung und liebevoller Führung zu finden.

Raumgestaltung und Spielmaterial nach Emmi Pikler

Emmi Pikler Pädagogik Mutter spielt mit ihrem Kind mit den Bausteinen

Emmi Pikler betonte in ihrer Arbeit auch die Bedeutung einer liebevoll gestalteten Umgebung, damit Kinder sich frei entfalten können. 

Für die ideale Umgebung definierte sie entsprechende Voraussetzungen - die richtige Raumgestaltung und das richtige Spielmaterial. 

Die Raumgestaltung nach Emmi Pikler zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • Freie Bewegungsfläche: Kinder brauchen ausreichend Platz zum Krabbeln, Laufen und Klettern.
  • Natürliche Materialien: Soweit möglich sollten natürliche Materialien wie Holz, Baumwolle und Wolle verwendet werden.
  • Weniger ist mehr: Der Raum sollte übersichtlich und aufgeräumt sein, damit sich dein Kind nicht überfordert fühlt.
  • Funktionsbereiche: Wenn möglich, kann der Raum in verschiedene Funktionsbereiche unterteilt werden, z. B. einen Schlafbereich, einen Spielbereich und einen Essbereich.
  • Sicherheit: Alle Möbel und Spielgeräte müssen sicher sein und kippsicher stehen. So kann dein Kind auch frei spielen, ohne dass du die ganze Zeit aufpassen musst.

Ein wesentlicher Bestandteil dieser Umgebung ist das Spielzeug, das Pikler ebenfalls sorgfältig ausgewählt hat. Das Spielzeug ist offen gestaltet und regt die Fantasie der Kinder an. 

Ein bekanntes Beispiel ist das Pikler-Dreieck - ein Klettergerüst aus Holz, das vielfältige Möglichkeiten zum Klettern, Balancieren und Rutschen bietet. Außerdem fördern Bauelemente aus Holz wie Bauklötze, Stapelwürfel und Holzbausteine die Kreativität und motorischen Fähigkeiten der Kinder zusätzlich. 

Naturmaterialien wie Sand, Wasser, Steine und Äste sowie Alltagsgegenstände wie Töpfe, Schüsseln, Löffel und Tücher bieten zusätzliche Spielmöglichkeiten im Freien

So setzt du beziehungsvolle Pflege im Alltag um

Respekt von Anfang an ist der Schlüssel, wenn du die beziehungsvolle Pflege im Alltag umsetzen möchtest. Dabei geht es um Würde, Wertschätzung und Achtung. Jedes Baby verdient von Anfang an Respekt. 

Doch oft werden Babys routinemäßig und mechanisch behandelt, ohne Rücksicht auf ihre Bedürfnisse. Ein respektvoller Umgang bedeutet:

  • das Baby mit Achtsamkeit und Sensibilität zu behandeln
  • mit deinem Baby so zu reden, wie mit einem/r Freund/in
  • jeden Schritt anzukündigen und Zeit zum Verarbeiten zu geben
  • den Raum nicht ohne Ankündigung zu verlassen und
  • achtsam im Umgang mit dem Körper des Babys zu sein 

Jetzt zeige ich dir, wie du die Beziehungspflege im Babyalter und während der Autonomiephase umsetzen kannst.

Beziehungsvoll Windeln wechseln

Wenn du merkst, dass dein Baby eine neue Windel braucht, gehst du behutsam auf es zu und sprichst liebevoll mit ihm. Am Wickeltisch erklärst du ihm sanft, was du gerade machst, und gibst ihm Raum, alles zu verarbeiten. Versuche dabei immer wieder Augenkontakt herzustellen und auf die Reaktionen und Bedürfnisse deines Babys einzugehen. 

“Hallo mein Schatz, ich merke, deine Windel ist voll. Ich nehme dich jetzt hoch und ich gebe dir eine frische.” 

Du greifst dein Baby an zum Hochheben. Achte dabei darauf, ob sich das Baby anspannt. Falls ja, warte noch einen kleinen Moment. Bei einem entspannten Körper kannst du es viel leichter tragen. Das Baby ist dann körperlich bereit für die Pflege, was den gesamten Pflegevorgang erleichtert.

Am Wickeltisch angekommen, kannst du dem Baby sagen oder auch zeigen: 

“Hier ist der Wickeltisch, den kennst du schon, da leg ich dich jetzt hin und du bekommst eine frische Windel.”

Auch hier wieder sanft und vorsichtig hinlegen. Du nimmst Augenkontakt auf, lächelst dein Baby an. Dann beginnst du mit ihm zu reden und ihm zu sagen, was du mit deinen Händen 

machst. 

“Ich ziehe dir jetzt die Hose aus ...jetzt öffne ich die Windel ...ich hol mir ein Tuch, damit ich deinen Po sauber machen kann ... 

jetzt bekommst du die frische Windel ...deine Hose ziehe ich nun an ... jetzt bin ich fertig ...ich nehme dich hoch und wir gehen wieder in die Küche.”

Wenn möglich, lass dein Baby auch mal mit nacktem Po etwas strampeln, liebkose es oder massiere sanft seine Beine. Diese Momente der liebevollen Berührung stärken die Beziehung zusätzlich und geben deinem Baby das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.

Dein Baby erfährt von Anfang an, dass es dir vertrauen kann und verbindet das Wickeln mit schönen und angenehmen Erfahrungen.

Einen detaillierten Artikel darüber findest du hier: Baby Wickeln nach Emmi Pikler

Beziehungsvolle Pflege in der Autonomiephase

Im Autonomiealter durchläuft dein Kind eine entscheidende Phase seiner Entwicklung. Es lernt, sich selbst und seinen Körper besser kennenzulernen und zu verstehen. 

Diese Zeit ist geprägt von einem starken Drang nach Selbstständigkeit und Autonomie. Als Elternteil ist es wichtig, diese Phase anzunehmen und dein Kind in seinem Streben nach Selbstständigkeit zu unterstützen, anstatt dagegen anzukämpfen.

So funktioniert beziehungsvolle Pflege auch in der Autonomiephase:

Wenn du bemerkst, dass es Zeit ist, die Windel zu wechseln oder eine andere Pflegehandlung durchzuführen, ist es wichtig, auf dein Kind zuzugehen.

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    Kontaktaufnahme: Trete ihm auf Augenhöhe gegenüber und nimm Blickkontakt auf. Auch wenn dein Kind gerade intensiv spielt oder beschäftigt ist, versuche, seine Aufmerksamkeit sanft zu gewinnen, indem du dich einfühlsam auf seine Interessen einlässt.“Oh, das sieht aber toll aus. Versuchst du gerade ein Häuschen zu bauen?”
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    Klare Ansage: Statt dein Kind höflich oder zärtlich zu fragen, was getan werden soll, ist es besser, klare und direkte Anweisungen zu geben. Fragen können Unsicherheit vermitteln und dem Kind ungewollt die Verantwortung übertragen. Doch diese Verantwortung sollte das Kind in dieser Entwicklungsphase noch nicht tragen müssen, da es die langfristigen Auswirkungen seiner Entscheidungen noch nicht überblicken kann. Sage deinem Kind deutlich (aber liebevoll), dass es Zeit ist, die Windel zu wechseln und dass du es jetzt zum Wickeltisch bringst.  
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    Übergang schaffen: Der Übergang von einer Aktivität zur Pflege kann für dein Kind herausfordernd sein. Unterstütze es, indem du ihm klare Anweisungen gibst und ihm Möglichkeiten zur Mitgestaltung gibst. Versuche, sanft und einfühlsam den Übergang zu erleichtern. Beziehe dein Kind in die Entscheidungsprozesse mit ein und gib ihm Zeit zum Abschluss seiner aktuellen Aktivität. Du kannst dein Kind das Häuschen zu Ende bauen lassen oder es darf zum Beispiel einen Bauklotz zum Wickeln mitnehmen.
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    Kooperation durch Wahlmöglichkeit: In der Autonomiephase ist Selbstbestimmung für Kinder besonders wichtig. Biete deinem Kind daher Wahlmöglichkeiten an, um seine Selbstständigkeit zu fördern und seine Kooperationsbereitschaft zu erhöhen. “Gehen wir heute im Bärengang zum Wickeltisch oder fliegen wir wie ein Vogel?” , “Möchtest du heute aussuchen, welche Creme wir verwenden?”
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    Mithilfe einfordern: Kinder lieben es, sich gebraucht zu fühlen und selbstständig zu agieren. Fordere daher die Hilfe deines Kindes ein und ermutige es, aktiv an den Pflegehandlungen teilzunehmen. Es kann zum Beispiel die Creme aufmachen, die Windel auseinanderfalten oder mit einem Hocker alleine auf den Wickeltisch klettern. 

Wenn du immer wieder Geduld und Einfühlungsvermögen zeigst, wird dein Kind mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Situationen kooperieren, in denen es schnell gehen muss. Achte jedoch darauf, dass du ihm auch in solchen Momenten die Gründe für die Eile erklärst und ihm Sicherheit vermittelst.

Die Pikler-Pädagogik: Fazit

Emmi Pikler's Ansatz ist nicht nur eine Theorie, sondern eine Einladung zur Aktion. Sie ermutigt uns, die Art und Weise zu überdenken, wie wir unsere Kinder erziehen und begleiten. Du schaffst damit eine Umgebung, in der dein Kind ermutigt wird, sich selbst frei zu entdecken, sein Selbstvertrauen aufzubauen und seine sozialen Fähigkeiten zu stärken. 

Es geht weder Emmi Pikler noch mir darum, alles perfekt zu machen oder einem starren Regelwerk zu folgen. Vielmehr geht es darum, die Essenz dieser Methode zu verstehen und sie auf deine eigene Art und Weise anzuwenden. Denn du kennst dein Kind und seine Bedürfnisse am Besten.

Du kannst also kleine Schritte unternehmen, um eine solche Umgebung zu schaffen, ohne Angst davor, alles richtig machen zu müssen. 

Probier es einfach aus und sieh, wie sich dein Kind “von ganz alleine” entfaltet und gedeiht - das ist das Herzstück der Pikler-Pädagogik.