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Die antiautoritäre Erziehung: Pro und Contra (inkl. Alternativen)

Woran denkst du beim Begriff „antiautoritäre Erziehung“?

An Kinder, die ihren Eltern auf der Nase herumtanzen? Die keine Regeln und Grenzen kennen und total unerzogen sind?

Oder an Kinder, die sich frei entfalten können, weil sie nur selten ein „Nein“ zu hören bekommen? Hat es etwas mit schimpffreier Erziehung zu tun? 

Nun – die Wahrheit liegt wie so oft dazwischen. Denn die antiautoritäre Erziehung ist im Grunde gar nicht so schlecht wie ihr Ruf. Trotzdem wird sie heutzutage kaum noch praktiziert.

Bist du jetzt neugierig geworden? Dann lies unbedingt weiter – hier erfährst du, was den antiautoritären Erziehungsstil ausmacht, welche Vor- und Nachteile er hat und welche Alternativen es dazu gibt...

Kind schreit Nö in antiautoritärer Erziehung

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Antiautoritäre Erziehung - was bedeutet das eigentlich? 

Wenn du beim Begriff „antiautoritäre Erziehung“ unweigerlich an Hippies denkst, liegst du gar nicht so falsch. Entstanden ist dieser Erziehungsstil – oder vielmehr das Erziehungskonzept laut Definition – nämlich in den 60er und 70er Jahren.

Die damaligen jungen Erwachsenen waren selbst sehr streng erzogen worden. Strenge Regeln, Pflichten, strikter Gehorsam und körperliche Züchtigung waren in der vorherigen Generation an der Tagesordnung gewesen.

Diese Form der Erziehung wollten die jungen Leute damals keinesfalls an ihre eigenen Kinder weitergeben. Sie versuchten es daher mit dem Gegenteil und ließen ihrem Nachwuchs so viel Freiraum wie möglich.

Der antiautoritäre Erziehungsstil ist daher gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

  • möglichst wenige Regeln, Pflichten und Verbote – Kinder hören nur sehr selten ein „Nein“ - Sie haben Angst zu versagen, was sich besonders stark zeigt, wenn Prüfungen, Tests, Klassenarbeiten etc. angesagt sind. Diese Kinder haben besonders häufig körperliche Symptome wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall, Kopfschmerzen...
  • es gibt nur wenige Grenzen – diese sind klar gesteckt und kommuniziert, gelten für alle gleich und schränken die Kinder möglichst nicht in ihrer Freiheit ein
  • Kinder werden nicht bestraft oder gemaßregelt – sie erleben allerdings natürliche Konsequenzen und erziehen sich somit quasi selbst
  • Kinder dürfen sämtliche Entscheidungen selbst treffen – Eltern geben lediglich Anregungen, machen Vorschläge oder stellen Alternativen zur Verfügung
  • Eltern lassen den Kindern größtmöglichen Freiraum für ihre persönliche Entwicklung
  • die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes werden möglichst immer erfüllt
  • Kinder gelten als gleichwertige Familienmitglieder, es gibt keine Hierarchie (Eltern lassen sich daher auch oft von den Kindern mit Vornamen ansprechen)
  • auch die Kommunikation findet auf Augenhöhe statt
  • der Umgang miteinander ist respektvoll und freundlich

Das klingt doch alles in allem gar nicht so verkehrt, oder? Warum aber hat die antiautoritäre Erziehung dann so einen schlechten Ruf?

Gut gemeint, aber... (die Nachteile der antiautoritären Erziehung)

Kind ist verwirrt zwischen Entscheidung und Verantwortung antiautoritäre Erziehung

Der Grundgedanke des antiautoritären Erziehungsstils ist durchaus positiv. Die Kinder sollten die Chance bekommen, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten.

Allerdings haben es die meisten Eltern übertrieben und den Kindern GAR KEINE Grenzen gesetzt. Es gab keinerlei Regeln und die Kinder konnten tun und lassen, was sie wollten.

In Folge dessen passierte genau das, was wir auch heute mit der antiautoritären Erziehung assoziieren: 

Die Kinder waren unerzogen und oftmals egoistisch. Sie hatten Schwierigkeiten, sich später in Schule und Beruf an Regeln zu halten (und z.B. Hausaufgaben zu machen) oder sich Autoritäten unterzuordnen. Insbesondere der Umgang mit Gefühlen und gerade das Verhalten bei Wutanfällen ist besonders auffällig - im negativen Sinne. Diese Kinder wissen meist so gar nicht wohin mit ihrer ganzen Gefühlswelt. 

Auch das soziale Miteinander fiel den Kindern häufig schwer, da sie nicht gelernt hatten, die Grenzen anderer zu respektieren oder sich in andere hineinzuversetzen (mangelnde Empathie).

Desweiteren sind besonders kleine Kinder oftmals noch gar nicht in der Lage, alle Entscheidungen selbst zu treffen. Sie können die Folgen ihres Handelns noch nicht abschätzen.

Hierzu ein Beispiel:


Es ist tiefster Winter, aber dein Kind möchte im T-Shirt nach draußen gehen. Du gibst zu bedenken, dass es frieren wird, aber das ist ihm egal. Du bietest verschiedene warme Pullover, Jacken etc. an, doch es bleibt stur beim T-Shirt...

Nach den Vorgaben der antiautoritären Erziehung würdest du es in seiner Freiheit einschränken, wenn du es zwingst, sich warm anzuziehen. Also lässt du es im Shirt nach draußen und riskierst eine Erkältung als natürliche Konsequenz.

Ob es dadurch lernt, sich beim nächsten Mal wärmer anzuziehen, ist fraglich. Die Erkältung tritt vermutlich erst einige Tage später auf und dem Kind ist – je nach Alter – der Zusammenhang gar nicht klar.

Ebenso sind Kinder schnell überfordert, wenn sie zu früh schon zu viel Verantwortung übernehmen sollen. Sie fühlen sich hilflos und diese Hilflosigkeit führt wiederum oft zu Problemverhalten.

Aufgrund all dieser Nachteile gibt es berechtigte Kritik an der antiautoritären Erziehung...

Exkurs: Der Laissez-faire-Erziehungsstil

Die antiautoritäre Erziehung darf nicht mit dem sogenannten Laissez-faire (oder auch dem negierenden Erziehungsstil) verwechselt werden. Bei diesem Erziehungsstil verhalten sich die Eltern ihren Kindern gegenüber vollkommen gleichgültig – d.h., sie spielen nicht mit ihnen, zeigen kein Interesse an ihren Kindern, vermitteln keine Werte etc. Die Kinder sind sich komplett selbst überlassen, was zu schwerwiegenden Entwicklungs- und Persönlichkeitsstörungen führt!

Gibt´s auch Vorteile? Die positiven Seiten der antiautoritären Erziehung

Kind wird durch antiautoritäre Erziehung kreativ und übernimmt Verantwortung

Aber natürlich hat die antiautoritäre Erziehung nicht nur Nachteile. Ganz im Gegenteil. Viele Ansätze dieses Erziehungsstils sind sehr förderlich für die kindliche Endwicklung...

Hier kommen die Vorteile des antiautoritären Erziehungsstils:

  • die Kinder können sowohl ihre Persönlichkeit als auch ihre Kreativität frei entfalten
  • Kinder dürfen ihre Meinung und ihre Gefühle ausdrücken
  • Wünsche und Bedürfnisse der Kinder werden respektiert und – wenn möglich – erfüllt
  • Kinder lernen schon früh ihre Stärken, Vorlieben und Schwächen kennen
  • Kinder werden in Entscheidungen mit einbezogen
  • Kinder lernen schon früh, Verantwortung zu übernehmen und dass ihr Handeln Konsequenzen hat
  • Kinder entwickeln schnell sehr gute kommunikative Fähigkeiten
  • Es wird kein Zwang oder Druck auf die Kinder ausgeübt
  • Kinder werden gleichwertig, respektvoll und freundlich behandelt
  • Kinder werden von ihren Eltern gefördert und unterstützt
  • Kinder entwickeln ein positives Selbstwertgefühl sowie ein starkes und gesundes Selbstbewusstsein

Wie du siehst, spricht eigentlich auch einiges FÜR die antiautoritäre Erziehung. Trotzdem wird sie heutzutage so gut wie gar nicht mehr praktiziert. Auch die sogenannten Kinderläden (Ende der 60er Jahre eigens gegründete „Kindergärten“, in denen die Kinder antiautoritär betreut wurden) gibt es in dieser Form nicht mehr.

Dennoch blieben die positiven Aspekte dieses Erziehungsstils erhalten und finden sich heute bei der demokratischen, der liberalen und der bedürfnisorientieren Erziehung wieder.

Antiautoritär light - Das Beste für dein Kind

Antiautoritär light die richtige Erziehung

Auch wenn antiautoritäres Verhalten heutzutage einen schlechten Ruf hat, wird es im Rahmen moderner Erziehungsstile also durchaus praktiziert.

Und das ist auch gut so, denn die Vorteile liegen auf der Hand. Wir wollen unsere Kinder nicht mehr durch Zwang und Strafen zu blindem Gehorsam erziehen.

Sie sollen ihre Persönlichkeit möglichst frei entfalten können, ein starkes und gesundes Selbstbewusstsein, eine starke Resilienz aufbauen sowie Eigenständigkeit und Verantwortungsgefühl entwickeln.

Verschiedene Studien (z.B. die des Instituts für Soziologie der JKU) belegen, dass eine zwangfreie Erziehung das Selbstwertgefühl, die Selbstwirksamkeit und das Solidaritätsempfinden von Kindern stärkt.

Es gilt also, die Vorteile der antiautoritären Erziehung zu nutzen und gleichzeitig die genannten negativen Auswirkungen zu vermeiden.

Am besten gelingt das meiner Meinung nach mit der bedürfnisorientierten Erziehung! Dabei lernt dein Kind, auch die Wünsche und Bedürfnisse anderer Menschen zu beachten. Der häufigste Kritikpunkt an der antiautoritären Erziehung – nämlich dass die Kinder zu rücksichtslosen Egoisten werden – kann damit umgangen werden.

Hier findest du einen ausführlichen Artikel zu diesen Erziehungsstil: Bedürfnisorientierte Erziehung – praktische Tipps für jede Altersstufe

Zusammenfassung: Pro und Contra der antiautoritären Erziehung

Die folgenden Grafiken fassen noch einmal die wichtigsten Vor- und Nachteile des antiautoritären Erziehungsstils zusammen:

Antiautoritär light die richtige Erziehung
Contra Antiautoritäre Erziehung

Eine gute Erziehung nutzt die positiven Aspekte und versucht gleichzeitig, die negativen Auswirkungen zu vermeiden.

Mit der bedürfnisorientierten Erziehung gelingt dies am besten. Dadurch können hochsensible oder gefühlsstarke Kinder und Jugendliche,  Kinder mit Autismus oder auch und generell junge Menschen mit vielen weiteren individuellen Merkmalen und Auffälligkeiten begleitet werden. 

Häufige Fragen zur antiautoritären Erziehung

1. Wie funktioniert antiautoritäre Erziehung?

Bei der antiautoritären Erziehung wird den Kindern möglichst viel Freiraum gelassen, um ihre Persönlichkeit, ihre Kreativität etc. frei entfalten zu können.

Es gibt nur wenige Grenzen. Innerhalb dieser Grenzen existieren keine Regeln, Pflichten, Vorgaben oder Strafen.

Die Kinder dürfen von Anfang an eigene Entscheidungen treffen. Eltern stehen lediglich unterstützend und beratend zur Seite. Sie behandeln ihre Kinder wie gleichwertige Familienmitglieder, es gibt keine Hierarchie.

2. Ist antiautoritäre Erziehung gut?

Grundsätzlich dient die antiautoritäre Erziehung dazu, das Selbstwertgefühl und die Persönlichkeit des Kindes zu stärken. Allerdings besteht das Risiko, dass Kinder mit zu viel Verantwortung überfordert sind.

Zudem haben antiautoritär erzogene Kinder oft Schwierigkeiten im sozialen Miteinander. Ihnen fehlt es häufig an Empathie und Rücksichtnahme. Auch haben sie Probleme, sich später in Schule und Beruf an Regeln zu halten, Pflichten zu erfüllen (z.B. Hausaufgaben machen) oder sich Autoritätspersonen (z.B. Vorgesetzten) unterzuordnen.

3. Wird die antiautoritäre Erziehung noch praktiziert?

Die reine Form der antiautoritären Erziehung wird heutzutage kaum noch angewandt. Allerdings finden sich die positiven Ansätze dieses Erziehungsstils bei der demokratischen, der liberalen und der bedürfnisorientierten Erziehung wieder.

4. Was ist das Gegenteil der antiautoritären Erziehung?

Gegensätzlich zur antiautoritären Erziehung ist die autokratische Erziehung. Hierbei gibt es viele Regeln und Vorschriften, denen sich das Kind zu unterwerfen hat. Es werden Gehorsam und Disziplin erwartet. Jegliche Entscheidungen werden von den Eltern getroffen – ungeachtet der Bedürfnisse des Kindes.

5. Ist antiautoritär das gleiche wie Laissez-faire?

Nein. Beim Laissez-faire-Erziehungsstil verhalten sich die Eltern ihren Kindern gegenüber vollkommen gleichgültig. Sie erziehen sie nicht, zeigen kein Interesse an ihnen, unterstützen sie nicht. Die Kinder sind quasi komplett sich selbst überlassen, während antiautoritär erziehende Eltern ihren Kindern sehr zugewandt sind.