„Papa hat das aber erlaubt!“
Wer kennt es nicht – diese ständigen Diskussionen wegen verschiedener Erziehungsstile. Ein Elternteil versucht konsequent zu sein, der andere grätscht dazwischen mit Aussagen wie: „Nun lass sie doch!“
Und im schlimmsten Fall wird vor den Kindern gestritten oder sich gegenseitig Vorwürfe gemacht...
Dabei ist es unterm Strich gar nicht so wichtig, dass sich die Eltern in Erziehungsfragen immer einig sind! Entscheidend ist, wie ihr damit umgeht, wenn ihr unterschiedlicher Meinung seid.
Genau darum dreht sich dieser Artikel: Ich zeige dir, wie ihr „an einem Strang ziehen“ könnt, auch wenn jeder in eine andere Richtung will...
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Gratis Online Seminar - Erziehen ohne Schimpfen
In diesem Seminar lernst du:
Ist es schlimm, wenn Eltern nicht an einem Strang ziehen?
Diese Frage lässt sich nicht so pauschal beantworten. Es kommt immer darauf an, wie ihr als Eltern mit euren unterschiedlichen Erziehungsstilen umgeht. Seid ihr trotzdem liebevoll und wertschätzend miteinander oder gibt es ständig Zank und Streit?
Du solltest dich also nicht fragen, ob dein Kind ein Problem mit euren unterschiedlichen Erziehungsmethoden hat, sondern ob DU ein Problem damit hast!
Denn es belastet sowohl eure Beziehung als auch die gesamte Familienatmosphäre, wenn du deinem Partner oder deiner Partnerin ständig Vorwürfe machst oder innerlich total wütend darüber bist, wie er/sie mit eurem Kind umgeht.
Dein Kind leidet vor allem dann,
Geht ihr hingegen respektvoll und wertschätzend miteinander um und akzeptiert die unterschiedliche Meinung des anderen, ist es auch für euer Kind vollkommen in Ordnung.
Es kann dann sogar davon profitieren, dass ihr euch nicht immer einig seid. Denn so könnt ihr ihm ein paar wichtige Aspekte im sozialen Miteinander vorleben wie z.B. Kompromissbereitschaft, Wertschätzung, Konfliktlösung, gewaltfreie Kommunikation und gegenseitige Rücksichtnahme.
Wie sich das in der Praxis umsetzen lässt, zeige ich dir nun:
Unterschiedliche Erziehungsstile? Kein Problem mit diesen 7 Tipps
Je unterschiedlicher euer Erziehungsverhalten ist, desto schwieriger ist es natürlich im Alltag. Einer von euch verlangt strikten Gehorsam, während der andere das Kind antiautoritär erziehen will? Da sind Meinungsverschiedenheiten vorprogrammiert...
Aber auch völlig gegensätzliche Erziehungsstile lassen sich unter einen Hut bekommen, wenn ihr ein paar Grundlagen beachtet:
1. Let’s talk about...
Zunächst mal das Wichtigste: Redet miteinander!
Nur wenn ihr dem anderen mitteilt, was euch stört oder was ihr euch wünscht, könnt ihr gemeinsame Lösungen finden. Oft warten wir viel zu lange, bis wir ansprechen, was uns ärgert oder stört. In uns brodelt es allerdings gewaltig, was sich dann irgendwann als Streit oder Vorwurf entlädt.
Das lässt sich verhindern, wenn ihr euch regelmäßig austauscht – und zwar sachlich, freundlich und wertschätzend. Aber dazu kommen wir gleich noch (siehe Bonus-Tipp).
Teilt dem anderen vor allem eure Sichtweise und eure Beweggründe mit. So ist vielleicht die Mutter viel strenger, weil sie den ganzen Tag mit dem Kind alleine ist und mit ihm Termine einhalten oder dafür sorgen muss, dass es die Hausaufgaben macht.
Der Vater erlebt das Kind meistens nur abends und am Wochenende, quasi in der Freizeit. Er versteht nicht, warum seine Frau so ungeduldig mit dem Kind ist und sie ärgert sich, dass er viel zu nachsichtig ist.
Sobald ihr die Sichtweise des jeweils anderen versteht, könnt ihr viel besser damit umgehen!
2. Alle auf einer Seite
Und da kommen wir gleich zum zweiten wichtigen Punkt:
Handelt miteinander statt gegeneinander!
Auch wenn ihr unterschiedliche Erziehungsansichten habt, so geht es doch letztendlich um das Wohl eures Kindes und nicht darum, wer von euch nun besser oder schlechter erzieht. Das ist doch kein Wettbewerb!
Ich mag übrigens auch die Vorstellung nicht, dass die Eltern „an einem Strang ziehen“. Wer hängt denn da am anderen Ende des Stranges? Euer Kind?
Wenn, dann solltet ihr als Familie an einem Strang ziehen. Mit dem Ziel, dass sich alle – auch euer Kind – wohlfühlen.
3. Grundsatz-Diskussionen vorbeugen
In einer Beziehung muss man immer bereit sein, Kompromisse einzugehen. Das gilt besonders beim Thema Kindererziehung. Dennoch hat jeder von uns so ein paar Grundsatzthemen, die nicht verhandelbar sind.
Damit es deswegen nicht jedes Mal aufs Neue Diskussionen gibt, solltet ihr euch als Eltern zusammensetzen und grundlegende Punkte klären, zum Beispiel:
Versucht eurem Partner zu erklären, warum euch diese Punkte so wichtig sind. Je besser der andere eure Beweggründe versteht, desto eher wird er sie auch akzeptieren können.
Macht auch konkrete Vorschläge, wie ihr euch in diesen Fällen den Umgang mit dem Kind vorstellt. Es nutzt ja nichts zu sagen: „Ich will aber, dass das Kind jeden Abend pünktlich um 7 im Bett liegt.“ Und dann zu erwarten, dass der andere eure Erwartung umsetzt.
Sucht nach gemeinsamen Lösungen. Findet Kompromisse. Legt Zuständigkeitsbereiche fest, z.B. wer für das Abendritual verantwortlich ist. Und behaltet vor allem die Frage im Blick: Was ist das Beste für unser Kind?
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4. Hier wird gut gestritten
Trotz allem wird es immer mal wieder zu Streit kommen. Und das ist auch gar nicht schlimm, schließlich gehören Meinungsverschiedenheiten zum Leben dazu.
Euer Kind erlebt ja auch woanders, dass nicht immer alle der gleichen Meinung sind. Die Frage ist nur – wie geht ihr damit um?
Grundsätzlich ist Streit für Kinder nur dann belastend, wenn er eskaliert oder sehr häufig vorkommt. Oder wenn sich die Kinder schuldig und schlecht fühlen, weil sie z.B. Sätze mithören wie: „Weil du immer so nachgiebig bist, ist das Kind so frech.“
Des Weiteren solltet ihr das Kind niemals gegen das andere Elternteil aufhetzen oder ausspielen.
Das geschieht vor allem oft bei getrennten Eltern. Es bringt Kinder in einen Loyalitätskonflikt, denn sie lieben beide Elternteile gleichermaßen – unabhängig davon, wie sie von ihnen erzogen werden.
Lebt ihr den Kindern jedoch eine gute Streitkultur vor, profitieren sie davon. Sie entwickeln quasi Konflikt-Kompetenzen und können diese z.B. beim Streit mit den Geschwistern oder in der Kita nutzen.
5. Persönliche Regeln und Grenzen
Ein häufiges Streitthema sind Regeln und Grenzen und deren Einhaltung – vor allem, wenn ein Elternteil in diesem Punkt sehr streng ist und der andere eher nachgiebig.
Dazu sei gesagt, dass es gar nicht entscheidend ist, ob ihre wenige oder viele Regeln aufstellt. Wichtig ist eine klare Linie! Euerm Kind muss klar sein, welche Regeln und Grenzen es gibt und was passiert, wenn es diese nicht einhält.
Wenn es dann bei Mama und Papa verschiedene Grenzen gibt, können sich Kinder da ziemlich gut drauf einstellen. Sie kommen ja auch damit klar, dass es bei Oma, in der Kita oder bei der Freundin andere Regeln gibt.
Es ist also vollkommen normal, dass jeder Mensch individuelle Grenzen hat. Das dürft ihr auch so kommunizieren und vor allem akzeptieren!
Beispiel:
Das Kind tobt ausgelassen durch die Wohnung und ist dabei sehr laut. Dich stört das nicht, aber deine Partnerin ist genervt und bittet das Kind, leiser zu sein. Es sagt: „Wieso? Bei Papa darf ich das.“
Jetzt solltest du deine Partnerin unterstützen, indem du z.B. zum Kind sagst: „Das ist richtig, aber jetzt ist Mama da und weil es sie stört, nehmen wir darauf Rücksicht. Sei bitte etwas leiser.“
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6. Bedürfnisse im Fokus
Anstatt über verschiedene Erziehungsstile zu streiten, solltet ihr lieber eure Bedürfnisse in den Vordergrund stellen. Denn egal, ob wir nun besonders geduldig oder eher streng sind, ob wir viel schimpfen oder das Kind verwöhnen... es steckt letztendlich immer ein Bedürfnis dahinter!
Bist du also in einer konkreten Situation mit deinem Partner / deiner Partnerin uneins, hilft dir vielleicht die folgende Vorgehensweise:
Der Blick auf eure jeweiligen Bedürfnisse lohnt sich übrigens nicht nur im Fall von Meinungsverschiedenheiten. Eine bedürfnisorientierte Erziehung ist auch gut geeignet, unterschiedliche Erziehungsansichten auszugleichen.
Bonus-Tipp: Verständnis statt Vorwürfe – so werdet ihr ein Team
Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Gegenseitiges Verständnis ist das A und O! Wenn ihr euer unterschiedliches Erziehungsverhalten akzeptiert, könnt ihr viel entspannter und gelassener damit umgehen.
Wir Menschen sind nun mal verschieden. Wir sind unterschiedlich aufgewachsen, haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht, regen uns über verschiedene Dinge auf und so weiter.
Und was bringt es dir, wenn du deinem Partner oder deiner Partnerin ständig Vorwürfe machst, er/sie würde das Kind falsch erziehen? Im schlimmsten Fall belastet es eure Beziehung!
Wie wäre es stattdessen mit gegenseitigem Respekt, Toleranz und Wertschätzung?
Hierzu hab ich noch ein paar Tipps und Grundgedanken für dich:
1. Fallt euch nie absichtlich vor dem Kind in den Rücken
Beobachtest du, dass der andere gerade „komisch“ mit dem Kind umgeht oder es bei ihm nicht hört, sprich es im Nachhinein unter 4 Augen an oder hole den anderen behutsam aus der Situation raus.
Beispiel:
Dein Partner ist total genervt, weil das Kind morgens ewig rumtrödelt. Er versucht es nun mit schimpfen und meckern – natürlich gibt es Tränen und Geschrei.
-> Statt deinen Partner wegzuschubsen, dein Kind zu trösten und am besten noch sowas zu sagen wie „Mein armer Spatz, Papa ist einfach unmöglich.“ könntest du z.B. sagen: „Hey Schatz, ich hab dir noch einen Coffee to go vorbereitet. Geh ihn doch mal holen, ich übernehme das hier kurz.“
2. Unterschiedlichkeit statt Uneinigkeit
Rege dich nicht darüber auf, dass dein Partner / deine Partnerin anders erzieht als du. Vor allem nicht vor dem Kind!
Beispiel:
Euer Kind möchte unbedingt ein Eis oder am Tablet spielen oder noch etwas länger aufbleiben oder was auch immer. Du bist dagegen, dein/-e Partner/-in sieht das anders.
-> Statt nun (vor dem Kind) herumzustreiten, könnt ihr sagen: „Okay, Mama ist dafür, Papa ist dagegen. Lass uns doch mal schauen, wie wir das zusammen lösen.“
3. Habt keine Angst vor einer anderen Meinung
Manchmal ärgern wir uns über den anderen, sprechen es aber nicht aus, weil wir keinen Streit provozieren wollen. Dadurch entsteht jedoch innerer Frust, der genauso schädlich ist.
Verinnerliche den Gedanken: „Ich darf eine andere Meinung haben und diese freundlich, respektvoll und wertschätzend äußern.“
-> So lernt auch euer Kind, dass es anderer Meinung sein darf und wie es das kommuniziert, wie man gemeinsam Kompromisse findet etc.“
4. Sprecht über eure eigenen Erfahrungen
Es ist viel leichter, Verständnis für den anderen zu haben, wenn man seine Beweggründe kennt. Oft handeln wir aufgrund unserer eigenen Erziehung oder Erfahrungen aus der Kindheit. Hier mal ein Dialog, den ich selbst miterlebt habe:
Er: „Meine Eltern waren sehr streng. Wenn ich nicht brav war, wurde ich bestraft – meistens mit Zimmerarrest und Liebesentzug.“
Sie: „Und fandest du das gut? Möchtest du unser Kind genauso erziehen?“
Er: „Nein, ich fand es furchtbar. Aber ich kenne nichts anderes. Ich hab keine Ahnung, wie man es besser machen kann, ohne dass einem das Kind auf der Nase rumtanzt.“
Sie: „Ich hab da ein paar Ideen. Lass uns gerne mal ... XY ... ausprobieren und schauen, ob das klappt.“
5. Hört auf, alles zu bewerten
Wir sind meistens sehr schnell darin, Situationen zu bewerten:
Beispiel:
Das Kind hört nicht, also ist es schlecht erzogen. Mit Mama braucht es morgens viel länger zum Anziehen als mit Papa, also macht sie irgendwas falsch usw. Es ist vollkommen normal, dass Kinder nicht immer hören.
Besonders in der Autonomiephase sind sie widerspenstig, testen ihre Grenzen und versuchen ihren Willen durchzusetzen. Und auch euer unterschiedliches Erziehungsverhalten solltet ihr nicht als „gut“ oder „schlecht“ bewerten. Es ist nicht besser oder schlechter, sondern anders. Punkt!
Exkurs I: Alleine ist es leichter...
Zum Abschluss möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, der oft in unseren Elterncoachings zur Sprache kommt:
Mütter oder Väter äußern häufig, dass sie viel besser klarkommen, wenn sie mit dem Kind alleine sind. Kommt dann der Partner / die Partnerin dazu, benimmt sich das Kind plötzlich total daneben.
Zunächst mal kann ich dich beruhigen – das ist völlig normal!
Und es hat hauptsächlich drei Gründe:
- 1Für dein Kind ist es ebenfalls leichter, wenn ihr nur zu zweit seid. Da muss es sich nur auf eine Person einstellen, was viel einfacher ist. Stell dir eine Schulklasse vor, die gleichzeitig 2 Lehrer/-innen vor sich hat. Auf welche hört man denn nun?
- 2Euer Kind testet aus, wie weit es gehen kann und welche Regeln gelten, wenn Mama und Papa beide anwesend sind. Das macht es nicht in böser Absicht, sondern um Klarheit zu finden und um seine (und eure) Grenzen zu testen.
- 3Und zu guter Letzt ist es ein Aufmerksamkeitsthema. Ist das Kind mit dir alleine, hat es deine volle Aufmerksamkeit. Kommt der andere Elternteil dazu, verliert es einen Teil deiner Aufmerksamkeit – und holt sie sich zurück, indem es sich auffällig benimmt.
Auch hier hilft es, möglichst gelassen mit der Situation umzugehen und keinesfalls dem Partner oder der Partnerin (oder dem Kind) die Schuld zu geben.
Denkt an die oben genannten Tipps: Bewertet die ganze Sache nicht, sondern schaut einfach, wie ihr damit umgeht.
Exkurs II: Erziehungsstreit bei getrennten Eltern
Bei getrennten Eltern sind unterschiedliche Erziehungsstile vermutlich Streitthema Nr. 1.
Und natürlich nervt es, wenn sich das Kind nach einer Woche beim anderen Elternteil total daneben benimmt oder ständig mit dem Argument kommt: „Aber bei Mama/Papa darf ich das.“
Noch schwieriger wird es, wenn dein Kind nicht mehr zu anderen Elternteil möchte, weil dieser so streng ist und alles verbietet, was es bei dir darf. Das ist dennoch kein Grund, dem anderen das Kind vorzuenthalten. Das hat u.a. auch das OLG Stuttgart in einem Gerichtsbeschluss festgestellt.
Auch hier ist es wichtig, wie DU damit umgehst.
Schimpfst du ständig über deine/-n Ex – womöglich sogar im Beisein des Kindes? Bist du extra nachsichtig in der Erziehung, um deinem Kind zu zeigen „Ich bin viel lieber als Mama/Papa“?
Versuche bitte, deine Differenzen nicht über das Kind auszutragen. Mach dir und deinem Kind immer wieder klar:
„Bei Mama/Papa gelten ihre/seine Regeln – hier gelten meine.“ Punkt. Keine Bewertungen, was nun besser oder schlechter ist. Kein Trösten a la „Ach, mein armer Schatz, war Papa wieder so streng zu dir?“... kein „Was? Das hat Mama verboten? Die spinnt wohl.“... und auch kein „Natürlich darfst du noch ein Eis, ich bin ja nicht so wie Mama.“
Je weniger du das Erziehungsverhalten des anderen Elternteils thematisierst, desto besser. So lernt dein Kind am ehesten, dass es okay ist, wenn bei verschiedenen Menschen unterschiedliche Regeln gelten.